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Adventliches Schaulaufen

Foto: Matthias Creutziger

Die Ankündigung des zehnten ZDF-Adventskonzerts hätte musikinteressierte Hörer misstrauisch machen müssen. Die Frauenkirche war als „Schauplatz“ bezeichnet, präsentiert würden (zum Eintrittspreis übrigens von knapp 100 Euro) „populäre Werke vom Barock bis zur Romantik“. Wer sich darob mit Grausen abwandte und etwa auch am Sonntag den Fernseher ausgeschaltet ließ, verpasste dieses Jahr eine überraschend kurzweilige Programmfolge, mit einer glänzend aufgelegten Staatskapelle, einem soliden Staatsopernchor, vier feinen Solisten und nicht zuletzt einem gut gelaunten Dirigenten. Solche Fernsehaufzeichnungen mögen hektisch daherkommen; die Lautsprecherdurchsagen aus dem Ü-Wagen und das unter den Kamerakränen hin- und hersausende Filmteam mochten nicht zur adventlichen Stimmung des Publikums vor Ort beitragen. Insgesamt aber blieben die Beeinträchtigungen der zehnten Auflage der Fernsehproduktion durchaus im Rahmen, und das Publikum auch während der wenigen Nachaufnahmen konzentriert.

Die Aufforderung des Aufnahmeleiters, nach jedem Stück doch bitte stets laut zu klatschen und möglichst begeistert auszusehen, wäre indes gar nicht nötig gewesen; künstlerisch war das Potpourri nämlich ausnahmslos auf sehr hohem Niveau. Benjamin Bruns, der im Sommer sein Bayreuther Debüt als „Steuermann“ gab, ging in der Messias-Arie „Alle Tale macht hoch erhaben“ anstrengungslos in die Höhen; Elisabeth Kulman und Juliane Banse überglänzten den schneebedeckten Orchesterklang in Humperdincks „Abendsegen“. Aus Felix Mendelssohns kleiner „Weihnachtskantate“ wurde der majestätische Eingangschor „Vom Himmel hoch“ ins Programm genommen, und von Wilhelm Kienzl, einem wackeren Wagner-Epigonen, erklang ein lebkuchenduftendes Weihnachtslied – zu dem das offenbar gedankenlos zusammengeschusterte Programmheft zwar den Arrangeur, aber nicht den Textdichter zu nennen wusste. Schade zuletzt, dass der Capell-Virtuosin Lisa Batiashvili lediglich Jules Massenets gänsefett-triefende „Meditation“ zugebilligt wurde. Warum haben die ZDF-Programmmacher denn nur so abgrundtief wenig Vertrauen in das Sitzfleisch und die musikästhetische Potenz ihres Sonntagnachmittag-Publikums?

Eine Textfassung des Artikels ist am 3. Dezember in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.