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Aus Dresden nach England und zurück

Der in Dresden lebende Komponist, Gitarrist und Sänger Hallam London hat sich intensiv der Vertonung von Sonetten Shakespeares gewidmet. Zwischenergebnis ist eine EP (»The Winter EP – Shakespeare’s Sonnets«), die im Internet als Download und als reale CD angeboten wird. Eben zurückgekehrt von einem zweiwöchigen Aufenthalt in England, erzählt Hallam im Interview für »Musik in Dresden« von seinen dortigen Erlebnissen und über sein Shakespeare-Projekt.

Foto: PR

Du bist eben aus England zurückgekehrt – was war der Zweck der Reise?

Ich wollte meine Musik in dem Land spielen, in dem der Autor »meiner« Texte zu Hause war und noch heute allgegenwärtig ist. Damit verbunden war die Hoffnung, neues Publikum für meine Sonett-Vertonungen zu finden. Zumal dieses Jahr – im Rahmen der sogenannten kulturellen Olympiade – auch das World Shakespeare Festival stattfindet. Das sind Veranstaltungen über mehrere Monate in ganz Großbritannien, die die Werke des Autors feiern. Die Organisation dieses Festivals war freilich schon abgeschlossen, als es bei mir noch nicht mal die Idee zu den Sonett-Vertonungen gab. Aber zumindest bekam ich noch die Möglichkeit für das einströmende Theaterpublikum im Royal Shakespeare Theatre in Stratford-upon-Avon zu spielen. Und Kontakte zur Royal Shakespeare Company sind so auch entstanden.

Wo warst Du überall? Welche Erfahrungen hast Du da gemacht?

Meine Reise begann und endete in London. Der Versuch, in Camden Market mit Straßenmusik auf meine Songs aufmerksam zu machen, lief nicht sehr glücklich. Es zeigte sich – auch in der Beobachtung anderer –, dass ein Straßenkünstler ohne Lautstärke und Spektakel nicht auf mehr hoffen kann als ein paar Almosen aus dem Wechselgeldreservoir der Vorbeilaufenden. Dieses Erlebnis wiederholte sich denn auch in Stratford-upon-Avon, dem Geburtsort Shakespeares und der nächsten Station meiner Reise. Eine Open Mic Night in einem Club in Stratford allerdings machte mich wieder zuversichtlich. Solche »offenen Bühnen« gibt es in England offenbar wie Sand am Meer. Die sind natürlich eine großartige Möglichkeit, seine Musik auch spontan vor Publikum zu präsentieren. Also suchte ich mir auch in Bristol und Brighton solche Veranstaltungen – und spielte in beiden Städten jeweils auf einer dürftig besuchten und einer gut besuchten offenen Bühne. Was dann wohl auch eine weitere entscheidende Erfahrung verdeutlicht: das Publikum kommt auch in England nicht von selbst in die Konzerte. Nicht so überraschend, aber ein bisschen Hoffnung hatte ich da vorher schon.

Was ist für Dich das Besondere an den Shakespeare-Sonetten, dass Du einige von ihnen vertont hast?

Genau wie großartige Musik oder beeindruckendes Theater vermögen es auch wundervolle Formulierungen, in mir Glücksgefühle hervorzurufen. Bei Shakespeare gibt es das sehr oft. Zudem faszinieren mich die unglaublich vielfältigen sprachlichen Bilder, die Shakespeare nie ausgegangen zu sein scheinen. Nicht umsonst sind unzählige seiner Zitate zu englischen Sprichwörtern geworden. Bei alledem bleibt er aber immer verständlich, bringt das Gesagte auf den Punkt, ohne dass man um fünf Ecken denken muss, um zurück zu kommen.

Dazu kommt, dass mich Songtexte oft unglaublich langweilen. Ich kenne nur wenige Texter, deren Arbeit mir gefällt. Bevor ich zu Shakespeare kam, habe ich im Internet nach frei verfügbaren, zeitgenössischen Songtexten gesucht und zu meiner Überraschung sehr viel gefunden. Aber bei fast allen hatte ich das Gefühl, sie schon hundertfach gehört zu haben, so prall gefüllt waren sie mit abgedroschenen Phrasen. Und sprachliche Bilder sind kaum existent, so dass keinerlei Magie von den Texten ausgeht. Und wenn ein Text in mir nichts auslöst, wird sich in mir auch keine musikalische Umsetzungsidee finden.

Kanntest Du zuvor andere Vertonungen solcher Sonette?

Nein. Und ich habe auch erst danach gesucht, als meine ersten Vertonungen fertig waren. Da findet man vor allem Vertonungen einzelner Sonette, zum Beispiel von Eisler, Schostakowitsch oder auch David Gilmour. Es gibt die »Metal Shakespeare Company« oder »The Shakespeare Trio«, ein Folk-Blues-Trio aus Brighton. Und es gibt die erfolgreiche Inszenierung »Shakespeares Sonette« am Berliner Ensemble von Robert Wilson mit Musik von Rufus Wainwright. Meinen Ansatz habe ich jedoch tatsächlich noch nirgends wieder gefunden: die Texte so zu setzen, dass sie in Popsong-Strukturen passen (wenngleich ich mich selbst oft davon entferne). Mein Ziel ist es, die Sonette einerseits in den Dienst meiner musikalischen Visionen zu stellen und ihnen andererseits trotzdem gerecht zu werden.

Wie gehst Du beim Vertonen vor?

Zuerst einmal lese ich meine zweisprachige Ausgabe der Sonette immer wieder einfach quer. Von den 154 Gedichten habe ich noch immer nicht alle gelesen, glaube ich. Wenn mich eines anspricht, versuche ich, tiefer einzusteigen und den Text zu verstehen. Das fällt bei manchen sehr leicht und gelingt auf Anhieb, bei anderen brauche ich auch schon mal recht lange. Entscheidend für meine Vertonung ist dann die Atmosphäre, die ich in einem Sonett spüre. Die ist letztlich die Grundlage, auf der ich meine Ideen entwickle. Eine große Herausforderung ist es dabei, die immer gleiche Struktur der Sonette musikalisch auf immer wieder andere Weise zu verarbeiten.

Wo und wann kann man Deine Shakespeare-Sonette hören?

Ein erster Zwischenstand der Arbeit ist im August als digitale EP erschienen, ein Mini-Album mit fünf Songs. Die kann man in allen bekannten Download-Portalen kaufen. Aber auch diese EP ist, wie bis dato alle meine Musik, frei verfügbar: unter shop.hallamlondon.com kann man sie vollständig anhören, herunterladen und selbst einen Preis bestimmen. Eine reale CD mit einer schönen, von der Grafikerin Kerstin Hübsch gestalteten Hülle gibt es dort ebenfalls.

Wie soll es damit weitergehen?

Im nächsten Jahr wird es ein vollständiges Album mit meinen Sonett-Vertonungen geben, an dem ich noch arbeite, teilweise auch mit meinen langjährigen Weggefährten Alex Fuchs und Micha Wünsch. Und parallel erarbeiten wir das Live-Programm. Das bedeutet spannende und aufwändige Arbeit für mich und meine Bandkollegen, da die Verwendung von Live-Elektronik für uns noch recht neu ist.