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Eine Dresdner Bilanz

Hans-Joachim Frey (Foto: PR)

"Natürlich gibt es Leute, die ihn … für verrückt erklären," schrieb der Journalist eines überregionalen Magazins einst, und beobachtete verblüfft, dass den Mann so etwas gar nicht anfocht. "Grandios gescheitert" (taz) ist der 1965 in Gehrden bei Hannover geborene Hans-Joachim Frey mindestens einmal auf seinem Karriereweg. Dennoch weist dieser Weg bisher immer steiler nach oben.

Es ist offenbar leicht, der Faszination, die von seiner Person und seinen oft im großen Maßstab geplanten Projekten ausgeht, zu erliegen. Freys beruflicher Start fiel in eine Aufbruchszeit, in der mutige Entrepreneure schnell vorankamen. 1993, direkt nach seinem Diplomabschluss als Kulturmanager, wurde er, der zuvor bereits Gesang und Musiktheaterregie studiert hatte, Künstlerischer Betriebsdirektor am Thüringer Landestheater Eisenach. Als das Theater zwei Jahre später fusioniert wurde, wechselte er an das Theater Bremen, und nur weitere zwei Jahre darauf an die Sächsische Staatsoper. Mit dem Amtsantritt Gerd Ueckers sprang Frey auf die Position des Operndirektors und strickte nebenbei immer erfolgreicher an Netzwerken, die er zwischen Kultur und Wirtschaft aufspannte.

Einer seiner Pläne: Ein turnusmäßig stattfindender "Weltkulturgipfel" sollte Dresden zu einem "kulturellen Davos" machen. 2007 fand dafür ein dreitägiges Gründungssymposium statt – dessen Motto: "Kultur ist mehr". Ob es nun die Finanzkrise war, die die Sponsoren zögerlich werden ließ, oder organisatorische Mängel, wie die Sächsische Zeitung bzw. die Deutsche Presseagentur mutmaßten – 2009 wurde die zweite Ausgabe des Gipfels um einige Monate verschoben. Bis heute gibt es keinen dritten Gipfel.

Seinem Wohnort Dresden hatte Frey schon 2007 wieder den Rücken gekehrt; er war zum neuen Generalintendanten seiner früheren Heimat Bremen berufen worden. Nach Finanzdebakeln im Zusammenhang mit einer missglückten Musicalproduktion bat Frey dort um Auflösung seines Vertrags.

Ein Spektakel dagegen, das bis heute erfolgreich läuft, ist der "SemperOpernball", den Frey erstmals 2006 ausrichtete – beziehungsweise von einem eigens gegründeten Verein ausrichten ließ, dem Operndirektor oblag die "künstlerische Gesamtleitung". Kürzlich kündigte Frey sogar an, das Ballkonzept international exportieren zu wollen. Statt des 2010 für St. Petersburg geplanten Balles fand eine Gala statt; als Gründe wurden Waldbrände angegeben. Jedoch ließ sich "Putins Impresario" (so titulierte ihn eine Boulevardzeitung) nicht entmutigen. Für 2012 ist ein weiterer Ball-Ableger in Warschau geplant.

Mit Freys Riesenschritten mitzuhalten, ist für seine Mitstreiter nicht einfach. Weniger prestigeträchtige Projekte müssen bei einer auf maximale Schlagzahl ausgerichteten Denkungsart manchmal hintenanstehen. So fiel wurde der von Frey in Dresden mitinitiierte "Anton G. Rubinstein Klavierwettbewerb" letztes Jahr verschoben; nun soll er im Herbst stattfinden. Der Gesangswettbewerb "Competizione dell' Opera", der nach einem Jahr Exil in Moskau 2012 wieder in Dresden hatte Platz finden sollen, steht momentan noch auf der Kippe. "Zurzeit wird sondiert und Finanzierungsfragen geklärt," teilte Frey letzte Woche auf Anfrage mit. Und überraschte gleichzeitig mit einer ganz neuen Planung: "Ab 2013, 2015 und 2017 wird der Wettbewerb alle zwei Jahre am Brucknerhaus in Linz durchgeführt… In den geraden Jahren wird der Wettbewerb dann im Internationalen Ausland präsentiert," hieß es in seiner kurzen Nachricht; er habe dazu Einladungen nach China, Abu Dhabi und Weißrussland erhalten. Dass der Wettbewerb, dessen künstlerische Qualität die Kritiker nicht immer überzeugte, nun nach Österreich umzieht, überrascht nicht: Frey ist zum Künstlerischen Leiter der Linzer Veranstaltungsgesellschaft LIVA berufen worden. Das Wettbewerbspaket nimmt der umtriebige Rotarier schlicht an seine nächste Hauptwirkungsstätte mit.

Dresden versucht Frey trotz seiner weltweiten Verpflichtungen – diesen Oktober inszeniert er etwa den "Fliegenden Holländer" am Burjatischen Staatlichen Akademischen Opern- und Ballettheater – weiterhin treu zu bleiben. Am 1. Februar 2013 findet der nächste Semperopernball statt.