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Den Stillstand im Blick

Im 7. Symphoniekonzert zelebrierte die Staatskapelle den langsam schweifenden Blick und die genaue Introspektion (Foto: Matthias Creutziger)

Im Mittelpunkt des siebten Kapellkonzerts der Spielzeit standen weder die Komponisten dreier ganz verschiedener Werke, die sich am Sonntag in der Semperoper ungewöhnlich nahe rückten. Noch der aktuelle Capell-Virtuos Nikolaj Znaider, der nach der Pause Sibelius' Violinkonzert bis auf den letzten Ton sezierte. Im Mittelpunkt stand Sir Colin Davis es war seine Ausstrahlung, die das Konzert prägte. Wiewohl sich sein Dirigat manches Mal auf Andeutungen beschränkte: es blieb also größtenteils den Musikern überlassen, die Werke auszuformen und aus dem Notentext Ideen zu destillieren. "Sir Colin", der stellenweise in weit zurückliegenden musikalischen Welten umherzuwandern schien, konnte sich dabei auf die Kapelle verlassen. Sie formte aus Williams' graziler "Fantasia über ein Thema von Thomas Tallis" ein elegisches Traumbild von einer weiten Landschaft sanfter Hügel im Abendsonnenlicht. Danach salzige Seeluft: Brittens "Four Sea Interludes op.33a" und eine "Passacaglia", ursprünglich als Vor- und Zwischenspiele der Oper "Peter Grimes" komponiert, funktionieren als grandiose Tonmalereien auch völlig eigenständig. Das Orchester folgte der Konvention, die beiden Exzerpte in der Reihenfolge ihrer Opusnummerierung aufzuführen, obwohl auch das Voranstellen der "Passacaglia op. 33b" dramaturgisch wirkungsvoll erscheint.

Nikolaj Znaiders Lesart des Sibelius-Konzerts holte nicht die Sanglichkeit in den Vordergrund, von der viele der heutigen Interpretationen durchdrungen sind. In seinen Händen geriet das Werk als lebenskluge, nirgend beschönigende Lebensrückschau, wörtlich erzählt bis ins noch so kleine Detail, das baldige Ende ohne Unruhe im Blick. Die Gefahr, hier vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, bestand; man gab sich aber der fast pedantischen Detailversessenheit des Solisten gern hin. Das abschließende Allegro "ma non tanto", – Znaider las das konsequent als "bloß nicht zu rasch" – hatte so gar nichts Tänzerisches mehr, überzeugte umso mehr durch seine drückende Wucht. Nicht enden wollender Applaus; ehrfürchtig geleitete der Solist seinen Mentor von der Bühne.

Eine Textfassung des Artikels ist am 13. März in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.