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Frohes Jahr!?

2012 wird gewiss nicht das Jahr der Mayas werden, aber ein wenig außergewöhnlich lässt es sich schon an. Neben der Ungleichverteilung von Rettungsschirmen und anderem Schnee – höher gelegene Regionen von Bayern und Österreich versinken schier in den Massen, hier im Elbtal muss man schon Weitblick haben, um überhaupt etwas Weiß zu erkennen – sind es die Vor- und die Rückblicke, die verwirren. Da sind endlich die letzten Neujahrswünsche verklungen, schon kommt das Silvesterkonzert der Sächsischen Staatskapelle auf den Markt. Und bevor noch das Dresdner Februar-Gedenken eingesetzt hat, werden bereits die österlichen Passionen beworben.

Lohnt es sich noch einmal, den leichten Klang vom letzten Tag im Dezember anzustimmen? Gewiss. Christian Thielemann und die „Wunderharfe“ können nämlich tatsächlich auch bei Lehár wunderbar zusammenfinden. Auf jeden Fall ist diese Scheibe (bitte gleich die DVD erwerben, dann darf das Auge mitspeisen) eine Empfehlung als optimales Schwiegermutterpräsent. Und obendrein auch noch grandios musiziert, perfekt produziert, absolut zeitnah im Musikmarkt platziert.

Das traditionsreiche Orchester kann aber auch anders. In seinem Alltag hat es sich längst schon wieder echten Herausforderungen verschrieben, pflegte Messiaen, Prokofjew und Strawinsky im Symphoniekonzert und bestritt wohl auch seinen Part beim neulichen Opernball pflichtschuldigst perfekt.

Für den kommenden Monat bereitet der Klangkörper eine Uraufführung vor. Statt einmal mehr ein Brahms-, Mozart- oder Verdi-Requiem zum 13. Februar aufzuführen, zelebriert es unter der musikalischen Leitung von Vladimir Jurowski das „Dresden-Requiem“. Dessen hoch anspruchsvoller Untertitel: „Ode an den Frieden“. Geschrieben hat dieses abendfüllende Werk die derzeitige Capell-Compositrice Lera Auerbach. Am 11. Februar wird es erstmals erklingen, nach diesem Debüt in der Frauenkirche gibt es zwei weitere Aufführungen am 13. und 14. Februar in der Semperoper. Die Texte zum „Dresden-Requiem“ stammen zum Teil von heutigen Autoren und haben lokale Bezüge wie etwa zum 11. September 2001 in New York oder zur Weihe der Frauenkirche in Dresden, andere sind liturgischen Ursprungs mit streng religiösen Hintergründen. Vorgetragen werden sie von zwei Knabenchören aus London und New York, Soloparts singen Countertenor Maarten Engeltjes und Bariton Mark Stone.

Die Kollegen der Philharmonie bestreiten unter ihrem Chefdirigenten Michael Sanderling ein nicht minder bekenntnishaftes Kontrastprogramm mit Dmitri Schostakowitschs 7. Sinfonie op. 60, der sogenannten Leningrader, die am 12. und 13. Februar im Kulturpalast erklingen wird. Der sowjetische Komponist hat dieses Werk einst als sein persönliches Requiem bezeichnet – das Gedenken ans Morden während der etwa zweieinhalbjährigen Besetzung von Leningrad in aufpeitschenden, ergreifenden Ton gegossen. Wenn dieses Mahnwerk nun im Gedenken an die Dresdner Zerstörung erklingt, dürfte es weit mehr zu denken geben als all jener juristisch begründete Staatsschutz, der den Aufmärschen dummdreister Neonazis gilt.

Gut denkbar, dass gründliches Zuhören mehr bewirkt als fototaugliches Händchenhalten. Wir kommen darauf zurück.