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Oper-Improvisation vor intimem Publikum

Ein Kontrabass, ein Flügel, ein Mikrofon und ein Schlagzeug. Mit diesen Mitteln hat der Jazzkontrabassist Dieter Ilg zusammen mit seinen Kollegen Rainer Böhm und Patrice Heral eine jazzige Version einiger Themen aus Verdis Oper „Otello“ geschaffen und gestern im Societaetstheater aufgeführt. Sphärische Melodien, Luftpolsterfolie als Perkussionsmittel, entspannte, lockere Jazzmusik und ausgelassene, anspruchsvolle Improvisationen waren in diesem Konzert zu erleben. Freie Melodien zu einfachen Akkorden spielte anfangs Rainer Böhm am Flügel und Dieter Ilg tat, als wäre sein Kontrabass eine Gitarre, zupfte auf ihr dumpfe Tonfolgen. Patrice Heral sorgte für Takt. Derweil tauchen in den Klavierpassagen schon erste Motive aus Verdis „Otello“ auf.

Diese Musiker hätten mehr Zuhörer verdient… (Foto: Hans-Joachim Maquet)

Diesen Musikern zuzusehen, machte schlichtweg Spaß. Ihnen zuzuhören war ein erstaunendes Ereignis. Rainer Böhm steigerte sich in sein virtuoses Klavierspiel regelrecht hinein, machte manchmal den Eindruck, er würde am liebsten aufspringen, nur die Finger klebten an den Tasten und vollführten elegant schnelle Läufe und wilde Akkorde. Ob klassische Verdi-Motive oder chromatische Jazzmelodien, beides beherrschte er mit augenscheinlicher Leichtigkeit. So frei seine Improvisationen auch wurden, immer schienen sie zu den Kontrabassläufen zu passen, und nie verloren sie gänzlich den Rhythmus, den der Perkussionist vorgab. Keine Frage, ein, im wahrsten Sinne des Wortes, eingespieltes Team. Patrice Heral lebte sich temperament- und humorvoll an den Schlagwerken und der Technik aus. Seine spontanen Ideen zeugten von Kreativität, da rieb er schon einmal das Mikrophon an den Knöpfen seines Hemdes, oder schüttelte die Besen in der Luft um die Geräusche mit der Looping Station aufzunehmen und wiederzugeben. Mimisch schien er seinen Becken und Trommeln auch zeigen zu wollen, wo es lang ging; zur Kurzweil der Zuschauer verriet sein Gesicht meistens, welche Stimmung erzeugt werden sollte. Leider ging in seiner engagierten Art die Sticks zu schwingen manchmal Erstaunenswertes unter, das nebenan geschah.

Der geheime Held des Abends, der sich, wenn die Initiative nicht aus dem Publikum gerufen worden wäre, nicht einmal einen eigenen Applaus gegönnt hätte, war nämlich Dieter Ilg selbst. Er schien beinah mit seinem Instrument tanzen zu wollen und zupfte gefühlvoll an den Saiten. Fast sah es wie ein Wettlauf aus, wenn Klavier und Kontrabass zusammen schnelle und schwierige Melodien klingen ließen. Kaum war der Ton gehört, huschte Ilgs linke Hand schon ganz woanders hin. Und wo sie nach diesem Abend nicht gewesen war, da waren schlicht die Saiten zu Ende. Der Meister des Pizzicato vermochte es, sein Instrument singen zu lassen, so flüssig spielte er, so eindrucksvoll gelang sein Ton.

In allem steckte ein Hauch von Verdis „Otello“. Für die bekannte Kontrabassmelodie aus gleichnamigem Stück nahm Dieter Ilg sogar den Bogen in die Hand. Ob in den Klavierakkorden oder den Bassmelodien, der aufmerksame Zuhörer konnte oftmals die Themen aus der Oper entdecken und sich daran freuen, wie die Musiker sie interpretierten und variierten. Auffällig wenig bearbeitet und doch ziemlich anders erklang das „Ave Maria“, schlicht, ob der Instrumentenzahl und doch eindrucksvoll und bewegend. Zu Konzertende jubelte das Publikum und erfreute sich noch einer kreativen Zugabe. Schade, für die vielen, die diesem Konzert fernblieben: die Musiker hätten einen vollen Saal verdient.