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Sieben Mal Applaus

Gute alte Bekannte waren am Wochenende zu Besuch bei der Philharmonie. Die "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz zum Beispiel: beinah jedes Jahr hat sie das städtische Orchester auf dem Plan. Mit einer fantastisch-erotischen Vision im Opiumrausch, rasender Verliebtheit und einem auskomponierten Hirtengesang mit gefährlichem Donnergrollen am Horizont kann man beim Publikum kaum fehlgehen. Zu fragen wäre, was das Werk uns denn noch zu sagen habe, wo sogar das Programmheft wortgleich war mit dem der letzten Aufführung unter Frühbeck der Burgos.

Dirigent Markus Poschner (Foto: Steffen Jaenicke)

Markus Poschner war indes zu klug, um dem Stammpublikum nur freundlich den bekannten Zucker aufzutischen. Er schraubte das Orchester erst einmal auseinander, besah sich die Einzelteile, ölte hier, feilte da Überflüssiges weg, und setzte es dann Stück für Stück wieder zusammen. Die vier von Frühbeck de Burgos zum Klangrausch gebuchten Harfen? Brauchte Poschner nicht; die zwei, die in Berlioz‘ Gebrauchsanweisung stehen, reichten ihm und läuteten den festlichen Ball, auf dem der Hauptheld immer nur an seine Geliebte denken muss, anmutig ein. Allein diesen zweiten Satz steigerte Poschner in ein rasend sich drehendes Tanzfinale, an dessen Schluss die Hörer Sterne sahen. Edelweich gingen die Bläser mit, so dass man sich etwa fragte: habe ich diese Trompete je an dieser Stelle gehört? Kurz: Frühbeck, der die Sinfonie nächstes Jahr erneut mit seinen alten Dresdner Freunden aufführt, wird sich umgucken müssen, um gegen die jüngste Aufführung nicht als bräsiger Traditionsputzer dazustehen.

Frisch wie nach einem heftigen Aprilregen lag auch die "Zweite" Beethovens auf dem Serviertablett. Die Klänge waren ausgewogen, der Ablauf von einer fast didaktischen Klarheit, die beispielsweise die raffinierten, aber teilweise ziemlich gekünstelten Tempospielereien der jüngst auf DVD festgehaltenen Interpretation der Sinfonie unter Christian Thielemann locker in die Tasche steckt. Das Publikum im diesmal fast ausverkauften Kulturpalast dankten es dem gut aufgelegten Orchester und seinem ersten Gastdirigenten mit siebenfachem, durch Trampeln begleiteten Applaus.

Eine Textfassung des Artikels ist am 3. Mai 2011 in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.