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Der Bock war ein Esel – Lortzing-Vergnügen im Kleinen Haus

Die deutsche Spieloper ist besser als ihr Ruf. Bei Albert Lortzing dem „Spielopernweltmeister“ ist noch etliches zu entdecken. Sein Meisterstück „Der Wildschütz“ steht jetzt als Produktion der Dresdner Hochschule für Musik in Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste, dem Staatschauspiel Dresden und der Neuen Elblandphilharmonie unter der musikalischen Leitung von Ekkehard Klemm auf dem Spielplan des Kleinen Hauses.

Die Premiere war ein Treffer. Mitten ins Schwarze trifft das Spiel der einsamen Jäger und Sammler zu Lortzings hell sprudelnden Melodien. Frei nach der Devise „Sing ein Lied…“ findet sich auf so gut wie alles, was im Leben daneben gehen kann, ein Reim. Man macht aus fast allem das Beste und hofft beständig, dass es morgen dann auch wirklich besser wird, mit der Liebe, mit dem Job, mit den Frauen oder den Männern, mit der Jagd, dem Essen und Trinken, mit dem Leben überhaupt und der Kunst sowieso. Notfalls wird nachgeholfen.

"Blitzgescheit inszeniert" (Foto: David Campesino)

Da wird aus einem braven beamteten Schulmeister (Karsten Müller) ein Wilderer. Eine Frustgattin der Oberschicht (Christiane Gänßler) macht in Kunst und umgibt sich in Ermangelung eines echten Adonis mit antik verkleidetem Personal in weißer Unterwäsche. Der gräfliche Gatte hingegen (Manos Kia) betätigt sich eher in der Großküche seines Anwesens. Das ist ein Mann mit Herz und Sinn fürs Volk, fürs weibliche besonders. Seine frisch verwitwete Schwester hingegen (Teresa Suschke)hat erst mal keinen Mann im Sinn. Sie probiert lieber selbst mal aus wie es ist, wenn man die Hosen anhat. Besonders pikant, dass sie dann als angeblicher Mann wieder Frau spielt und so genau jenen jungen Mann, mit dem ihr Bruder sie verkuppeln will, total entflammt. Der hingegen (David Sitka), im richtigen Leben Baron, gibt hier einen Stallmeister in Klamotten aus der Edelboutique. Irrungen und Wirrungen nehmen ihren Lauf. Wenn´s nicht gleich so läuft wie gewünscht lässt man was rüber wachsen. So haben die was davon, die was haben und die, die was brauchen auch.

Das ist die Stelle für Lortzings berühmte Arie von den 5000 Talern, für die ein beamteter Dorfschullehrer seine verdächtig junge Verlobte (Julia Domke) auf der Stelle los wäre. Aber Lortzing ist nicht nur ein Mann der eingehenden Melodien und hinreißend raffiniert gesetzter Ensembles, er ist in seinem Text auch ein Meister der Konjunktive, und seine heiteren Lebensspiele sind Spiele vom Wünschen. Morgen, vielleicht, da haben wir was auf dem Tisch, das wäre das Glück für die Einen. Die anderen haben was auf den Tischen, hätten aber gerne noch was im Bett. Alles lässt sich arrangieren. Herr Graf hat Geburtstag, die Masken fallen, für heute, Heiterkeit ist angesagt und Fröhlichkeit auch, Menü aus der Asiette, die Plastetüte zum Mitnehmen. Ein kleines Glück am Rande könnte doch das große sein, das Dienerpaar (Sarah Kaulbarsch und Emanuel Ilg) findet ganz ohne Maskeraden zueinander. Und morgen, da wird neu gewürfelt, da warten neue Masken, da gibt es neue Ziele, die Flinten sind schon geladen, diesmal traf´s einen alten Esel, warum beim nächsten Mal nicht doch mal einen richtigen Bock.

Schlag auf Schlag geht’s dahin in Helen Malkowskys blitzgescheiter Inszenierung mit den bestens aufgelegten Studentinnen und Studenten der Hochschule für Musik in Kantinen, Vereinszimmern und gräflichem Frostdesign von Saskia Wunsch von der Hochschule für Bildende Künste. Die Regisseurin nimmt den Lortzing ernst, dass seine Stücke gestern, heute und morgen spielen steht im Text. Dazu passt die ausgesprochen stimmige Gegenwartskleidung der Spieler, Jäger und Sammler von Alexandra Tivig hervorragend. Das choreografische Gespür der Regisseurin für Bilder und Räume, klare Zuordnungen der Handelnden, das Spiel mit Vordergrund und Hintergrund aus dem Geist der Musik, die Anspielungen in behutsam und vor allem geschmackvoll vergegenwärtigten Dialogen, alles gibt den Studierenden sicheres Fundament und angemessene Begrenzung. Die Protagonisten können alle innerhalb sicher gesetzter Grenzen jeweils ein hohes Maß an Freiheit gewinnen. Und das gelingt selten genug auf der Opernbühne, bei solchem Spiel direkter und indirekter Verkleidung, gänzlich ohne Verstellungen auszukommen. Gesanglich ist der Abend eine Freude von Beginn an, da gibt es je im individuellen Maß musikalisch überzeugende Charakterisierungen gepaart mit Spielfreude, jugendlichem Charme und sympathischer Ausstrahlung dieser Operntruppe, deren Wirkung sich nicht unwesentlich dem Chor der Studentinnen und Studenten verdankt.

Nächste Aufführungen: 20.03.; 1., 3., 14.04.; 16., 25.05.

Eine Textfassung des Artikels ist am 15. März in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.