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Zweite Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik

Zum zweiten Mal veranstaltet der Dresdner Kammerchor im Rahmen von KlangNetz Dresden und in Kooperation mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau die „Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik“ vom 21.-26. Februar. Für das Chorensemble, das sich mitten in der Jubiläumssaison zum 25jährigen Bestehen befindet, ist es eine Herzensangelegenheit, sich kontinuierlich für die Musik der Gegenwart zu engagieren.

Die Chorwerkstatt des Dresdner Kammerchores erprobt neue Herangehensweisen an die Vokalmusik der Gegenwart. Schon im ersten Studium der Partituren stellte sich für die Sänger des Chores heraus, dass Fähigkeiten, stilistische Möglichkeiten, Aneignungen und Gewohnheiten angesichts des diesjährigen Mottos „MehrCHörigkeit“ der Chorwerkstatt und der neuen Werke von Hans-Joachim Hespos und Charlotte Seither, die darauf Bezug nehmen, auf den Prüfstand geraten. In dieser Woche befinden sich Chor, Komponisten, Dirigenten im Labor – Neugier, Offenheit und der Mut zum Experiment sind selbstverständliche Voraussetzungen.

Aufregende Reise in neue Klangwelten: Der Dresdner Kammerchor und sein Leiter Hans-Christoph Rademann

 

Chor als Gemeinschaft von Singenden, als Gruppe, als soziales und musikalisches Netz, das zugleich ein körperliches Instrument darstellt, dabei gleichzeitig aus vielen Individuen besteht – wenn diese Selbstverständlichkeiten eine genaue Betrachtung durch einen zeitgenössischen Künstler erfahren, wird wirklich "Neues" geschaffen. "Präzise zerflitzt" sollen in Hans-Joachim Hespos "QUIXX" die Sänger agieren, von "Zeitgeschleif" und "Pöbelgeruf" ist die Rede. Das verlangt ganz andere Ausdrucksqualitäten, als man sie auch als Zuhörer im gediegenen Konzert gewohnt ist. Doch Hespos Credo verlangt von allen Teilnehmern, ja auch von sich selbst: "Man geht doch nicht ins Theater, um in Ruhe gelassen zu werden!" – In einer weiteren Uraufführung erfindet Charlotte Seither in "Haut Terrain" einen Chorklang, in dem ein vielschichtig aufgefächertes Stimmenband quasi ein neues, "horizontales" Instrument bildet. Auch diese Komposition erfordert Nachvollzug und feinsinnige Erarbeitung.

Die Werkstatt öffnet zugleich die Türen nach außen: aktive Teilnehmer, darunter einige Chordirigenten und Musikwissenschaftler, lernen die Komponisten, die neuen Werke und den außergewöhnlichen Probenprozess kennen. Mit dem Thema "mehrCHörigkeit" wird nicht nur eine Verbindung zur Tradition der Chormusik geschlagen, sondern es kommt die vielchörige Ausnutzung des akustisch hervorragenden Saales im Festspielhaus Hellerau und die quasi verdoppelte Mehrchörigkeit durch ein zweites Ensemble dazu. Dass dafür der mehrfach preisgekrönte ukrainische Kammerchor OREYA gewonnen werden konnte, ist ein Glücksfall: Chortraditionen und Chorkulturen der östlichen und westlichen Welt kontrastieren und durchmischen sich. 

Schließlich erhält der Raum seine Bedeutung als bewusste Auseinandersetzung mit der Auflösung der konventionellen konzertanten Frontaldarbietung – Raum als Spiel-Ort für das Experiment. Keineswegs ist das eine neue Beschäftigung – bereits die Komponisten der venezianischen Mehrchörigkeit begnügten sich kaum damit, die Choristen zur „himmlischen Art zu musicieren“ lediglich auf die Emporen zu verteilen. Michael Praetorius gab im Vorwort zu seinem heute kaum bekannten Zyklus „Urania“ akribische Anweisungen, wie die Musik umzusetzen sei und erzeugte durch verschiedene Möglichkeiten der Aufteilung schon selbst eine „Werkstatt“, die höchst unterschiedliche Klangwirkungen einer Aufführung desselben Werkes hervorbringt. Dabei ist die Rolle des Publikums als Teilhaber an der musikalischen Botschaft nicht zu unterschätzen: Praetorius integrierte den Gemeindegesang in sein Werk, und auch in der Chorwerkstatt des Dresdner Kammerchores sollte sich das Publikum nicht allzu sicher in der passiven Rolle des Tonempfängers fühlen.

Sa., 26.02.2011, 20 Uhr, Festspielhaus Hellerau
Abschlusskonzert der 2. Dresdner Chorwerkstatt
Charlotte Seither: Haut Terrain für 12-stimm. Kammerchor (UA)
Hans-Joachim Hespos: QUIXX – doppelchorige gesanges –
raum – athmungen (UA)

Dresdner Kammerchor, Ltg. Hans-Christoph Rademann
OREYA, Ltg. Alexander Vatsek

Karten bei www.dresden-ticket.de oder an der Abendkasse