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Wortwirbel und Tanz auf der Unterseite Javas

Natürlich warten wir darauf, dass auf der hoch gehängten Projektionsfläche auch endlich was losgeht. Wir würden auch gerne wissen, was hinter dem großen Brett ist, das uns nur zur Hälfte die Sicht auf eine naive Blumenfantasiemalerei frei gibt. Und ob sich jemand an den dicken Seilen, welche aus der imposanten Dachkonstruktion des Hellerauer Festspielhauses herabhängen, herauf hangeln wird, bzw. eine Erscheinung von Oben daran zu uns nach unten kommt, überlegen wir auch.

Fotos: Dominik Mentzos

Das Brett bleibt stehen, die Projektionsfläche bleibt weiß, die Stricke bleiben unberührt. Was aber in den knapp 90 Minuten der neuen Fassung dieses Abends der Forsythe Company von 2009 zur Dresdner Premiere geschieht, lässt nicht unberührt. Verunsicherung, Verblüffung und mögliche Verärgerung eingeschlossen.

Nicht dass uns Hören und Sehen vergehen würden, welcher Theater- oder Tanzmacher könnte das wirklich ernsthaft wollen, aber wir vernehmen und erfahren mal wieder wie nahe das Banale beim Genialen ist, wie offensichtlich manches Geheimnis dem Alltäglichen abgelauscht ist, uns hier aber so unwahrscheinlich erscheint, weil das Theater, speziell der Tanz und der Klang es vermögen selbst dem Quatsch mit Würde zu begegnen.

Es ist ein Abend der Forsythe Company in zwei Teilen, verbunden darin, dass sich Worte und Bewegungen bedingen, dass die Worte zu Klängen werden und die Bewegungen aus konkreten Fortbewegungsmechanismen zu Zeichen. Mitunter erscheinen diese wie die Materialisierung jener unsichtbaren Wellen, die in unseren Ohren vernehmbar machen was andernorts gesprochen, gesungen, gezischt, gegrummelt, gebrüllt, gestammelt oder kaum vernehmbar noch gehaucht wird und bestenfalls gedacht wird. Immer schon ist in diesen Vorgängen Bewegung intendiert, die dem Atemfluss geschuldet ist und der Tanz macht sichtbar, was eine innere Stimme erzählt. William Forsythe selbst hat dazu das Fragment eines Librettos geschrieben, „The Ventrilquist´s Opera“.

So erleben wir in diesem Arsenal der theatralen Möglichkeiten auf recht amüsante Weise zunächst so etwas wie tanzende Worte und wirbelnde Töne dieser „Bauchredneroper“. Ihre Verursacher wirken wie fremd gesteuerte Medien, die kaum ihre Orte verlassen. Wenn sie eine besondere Variante schüttelt oder in skurriler Eleganz schwärmerisch abheben lässt, dann fangen sie sich regelrecht wieder ein. Dieses heitere Konzert tonaler Pirouetten eigener und fremder Stimmen lässt Menschen zu Puppen werden und schürt den Verdacht, wie verflixt doch eigentlich Puppen den Menschen gleichen können.

Zum zweiten Teil des Abends gibt es Sounds von außen von Nielz Lanz. Seine Klänge schwirren sich immer wieder ein wie das Summen von Insekten. Und wieder Korrespondenzen zwischen menschlicher Stimme und der Bewegung anderer. Manche Passagen wirken wie hypnotische Verläufe, Bewegungen folgen dem Diktat klanglicher Verführung.

Die Varianten des stimmlichen Einsatzes sind so variabel wie die des körperlichen. So gibt es beinahe schmerzhafte Töne, die beim Einatmen erzeugt werden. Stimmen werden in die Höhe getrieben und wenn sie wieder herunter kommen, ist nicht immer klar wo sie jetzt herkommen. Die Tänzerinnen und Tänzer der Company sind dazu in direkter oder indirekter Korrespondenz mit den Klängen und den Begegnungen im Raum. Ihre unvermuteten Abgänge, ihre Auftritte aus wartenden Gassenpositionen haben etwas von Improvisationen. Dann aber erleben wir sehr feinsinnige Verschränkungen in Dreiergruppen von berührender Zartheit mit abrupten Auflösungen. Vom Lachen geschüttelte Körper lassen ahnen, woher die markanten eckigen und abgebrochenen Knickbewegungen kommen könnten, die immer wieder für Spannung sorgen. Am Ende Verlöschen. Es wird zurück gezählt, in großen Sprüngen der Zeitabstände, über Jahrtausende. Vielleicht zurück bis dahin, wo ein Ton es vermochte, die Stille des Anfangs zu bewegen.

Der Text erschien am 5. Februar 2011 auf www.tanznetz.de.