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Verjüngte Akademie ist neugierig auf das junge Polen

Das Wichtigste äußerte Akademiepräsident Prof. Udo Zimmermann bei der Vorstellung der Jahresvorhaben eher nebenbei. Seit die Beschränkung der Mitgliederzahl durch die Kunstministerinnen Stange und von Schorlemer gelockert wurde, hat sich die Sächsische Akademie der Künste durch Zuwahl von 21 neuen Mitgliedern spürbar verjüngt. 156 Mitglieder zählt sie nun, davon rund ein Drittel nicht aus Sachsen. 2012 können erneut weitere Mitglieder kooptiert werden. Zuvor wird aber am letzten Juniwochenende auf der dreitägigen ordentlichen Mitgliederversammlung ein neuer Akademiepräsident gewählt. Udo Zimmermann, mit 66 Jahren ungefähr im bisherigen Altersdurchschnitt liegend, will sich noch einmal um dieses Amt bewerben. Zugleich soll mit einer Veranstaltung im Plenarsaal des Landtages das 15-jährige Bestehen der Akademie gefeiert werden, das viele gute Spuren hinterlassen habe, so der Präsident.

"Wenn man unser erstes Akademie-Jahrbuch von 1996 wieder einmal zur Hand nimmt, sieht man, dass sich in diesen 15 Jahren viel Gutes getan hat." (Foto: M. Creutziger)

Das Hochwasser steht zwar dicht vor dem Blockhaus am Dresdner Elbufer, dem Sitz der Akademie, aber es steht ihr noch nicht bis zum Hals. Der Etat ist mit dem Beschluss zum Doppelhaushalt 2011/12 nominell nicht gekürzt worden. Steigende Kosten entwerten die 260 000 Euro Zuschuss dennoch schleichend. An der Reduzierung der festen Mitarbeiterschaft um eine halbe auf zweieinhalb Stellen konnten weder die Ministerin noch Gespräche im Landtag etwas ändern. Klagen über die minimale Finanzausstattung aber traten gestern hinter die Programminhalte zurück.

Die Vorhaben der Akademie für das Jahr 2011 führen begonnene Wege weiter. Exkursionen ins östliche Mitteleuropa zählen schon zur Akademietradition. In diesem Jahr ist Polen ein erklärter Schwerpunkt, das im zweiten Halbjahr 2011 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Noch bis Ende Januar läuft im Lichthof des Finanzministeriums die Ausstellung „Polska Architektura“. Um polnische Architektur und Städtebau geht es auch bei einer für den September geplanten Exkursion in die Städte Wroclaw, Opole und Krakow.

Die anderen Klassen der Akademie interessiert besonders die Gegenwartskunst im neuen Polen. Neugier treibe die Mitglieder an, erklärt Präsidialsekretär Klaus Michael. „Wir wissen nicht, was derzeit in Polen passiert.“ Hintergrund seien die demografischen Entwicklungen in Polen, die mit unseren deutlich kontrastieren. Das Nachbarland musste in den ersten Jahren nach dem Systemwechsel einen Verlust von etwa vier Millionen überwiegend jungen Menschen verkraften. Viele von ihnen kehren wieder zurück, und vor allem die jüngste Generation bleibt angesichts stabilerer wirtschaftlicher Verhältnisse im Land. Was bringt sie künstlerisch hervor? Überlagert wird diese Entwicklung von einem Strukturwandel in der Landwirtschaft, der den Zuzug in die großen Städte verstärkt.

Architektur und Stadtentwicklung bleibt ein Dauerthema der Akademie auch mit Bezug auf Sachsen und besonders Dresden. „Wir erhoffen uns direkten Einfluss auf die Stadtplanung in Dresden“, bekennt Sekretär Klaus Michael ganz offen. Die klassischen Modelle der Stadtplanung seien am Ende. So wird es im April in Zusammenarbeit mit der TU Dresden um Landschaftsarchitektur und im Mai in Zwickau um Städtebau gehen. Eine Vorlesungsreihe befasst sich mit den Entwurfspotenzialen der „Digitalen Architektur“. Im Oktober wird wieder der mit 25 000 Euro dotierte Gottfried-Semper-Architekturpreis verliehen, den die Akademie gemeinsam mit Vattenfall Europe und der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt stiftet. Gemeinsam mit dieser Stiftung gestaltet die Akademie beim Evangelischen Kirchentag Anfang Juni in Dresden auch drei Tage zum Engagement für Kultur und Natur.

Erwähnung verdienen die literarischen Höhepunkte, voran die heute beginnende 10. Dresdner Chamisso-Poetikdozentur mit Francesco Micieli. Ein Symposium am 29.April ist dem 200. Todestag Heinrich von Kleists gewidmet. Die Veranstaltung „Bücher, Mythen und Verlage“ am 3. Februar im Leipziger Haus des Buches verweist auf ein längerfristiges Ziel, das von der Akademie nachdrücklich unterstützt wird. Zunächst geht es um „Geschichten hinter den Büchern“, in diesem Fall die Entstehung von „stimme, stimme“ von Wolfgang Hilbig. Partner ist das Institut für Buchwissenschaften an der Leipziger Universität. Mit ihm und anderen wie etwa dem Museum für Druckkunst soll zumindest ein Teil des kulturellen Gedächtnisses der Stadt zurückgeholt werden, das mit der Schließung oder Abwanderung vieler Verlage verloren ging. Mit digitalisierten Archiven des Reclam-Verlages ist das schon teilweise gelungen. Mittelfristiges Ziel ist die Einrichtung eines Verlagsmuseums, wohl kaum in Landesträgerschaft, aber möglicherweise durch eine Stiftung getragen.

Und selbstverständlich werde man sich auch kulturpolitisch weiterhin einmischen, betont Akademiepräsident Udo Zimmermann. Zwei Interventionen gab es im Vorjahr, eine gegen die Absenkung der Städtebaufördermittel des Bundes, eine gegen die inzwischen beerdigte Novellierung des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes. Ganz oben auf der Agenda steht nun die Unterstützung des Kulturkraftwerks Mitte in Dresden, das trotz des Einschwenkens von Oberbürgermeisterin Helma Orosz noch keineswegs gesichert ist.

Eine Textfassung des Artikels ist am 18. Januar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.