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Udo Zimmermann, der Rückschrittliche?

Udo Zimmermann ist seit 2008 Präsident der Sächsischen Akademie der Künste und also als eine Art verdienter Leitwolf der Künste im Freistaat anzusehen. Seine frühen Kompositionen wie die von ihm angestoßene Gründung des Dresdner Zentrums für zeitgenössische Musik, zuletzt seine Arbeit am Europäischen Zentrum der Künste weisen ihn als streitbaren Kämpfer für die Moderne an vielen Fronten, ja als entsprechend "Berufenen" (Schumann über Brahms) aus.

Wie muss nun die Uraufführung seines jüngsten Werkes, einer "Brahms-Fanfare", auf das interessierte Publikum wirken? Frei heraus: es wird weder dem Anspruch Brahms‘, dem vermuteten Anspruch Zimmermanns, dem Anspruch der für ihre Bemühungen um die Vermittlung zeitgenössischer Werke bekannten Philharmonie noch dem Dirigenten Frühbeck de Burgos als Widmungsträger gerecht. Und der Stadt Burgos, die die vier Fanfaren zur Eröffnung ihres neuen Konzertsaals in Auftrag gegeben hat, vermutlich auch nicht.

Die vierminütige Fanfare ist komplett humorfrei in strahlendem Dur gehalten. Vier Minuten lang wartet man auf den catch, auf die erlösende Pointe, die all das Gewesene ironisch als Blendwerk, als Kommentar auf bloßes Epigonentum derer, die über schülerhaftes Nachahmen nie hinaus kommen, bloßstellte. Allein, sie kommt nicht. Das Werk endet nach Zitaten etlicher Brahms-Wendungen und schließlich, Altherrenwitz hö-hö, des Offenbachschen Can-Cans, in dem strahlenden Dur, in dem es auf die Bühne gekommen ist. Danke, freundlicher Applaus, aus.

Nun mag man der Philharmonie zugute halten, dass sie Frühbeck de Burgos lieber leise servus sagen wollte, als ihm noch einen dissonanten kompositorischen Nachtisch zu servieren, und deswegen der Stadt Burgos als Dresdner Grußübermittler einen eher arrivierten Komponisten nahelegte. Ein bisschen peinlich ist dieser Gruß aus Dresden aber schon. Haben wir außer geistigem Barock doch wirklich inzwischen mehr zu bieten, was zahlreiche junge Dresdner Komponisten ebenso beweisen wie die Veranstaltungen des KlangNetzes.

Altersverteilung der Akademieklassen Musik (blau), Baukunst (rot) und Literatur (orange). Grafik: MM

 

Schade ist zuletzt, dass die Komposition auch ein bisschen die Denkungsart der Sächsischen Akademie der Künste unterläuft, die ja satzungsgemäß "die Öffentlichkeit mit wichtigen künstlerischen Leistungen der Zeit bekanntmacht" – und Kunst aus Sachsen überregional repräsentiert. Die Akademieklasse "Musik" hat immerhin dieses Jahr einen Generationenwechsel eingeläutet (und mit Annette Schlünz auch die erste Frau zum ordentlichen Mitglied ernannt). Von ihr wie den anderen Akademiemitgliedern darf man erwarten, dass sie mit ihrer Arbeit die künstlerischen Horizonte Sachsens immer wieder neu abstecken.

(Foto: M. Creutziger)