Scroll Top

Befreiende Musik – Deutsch-Polnische Jugendphilharmonie Niederschlesien gastierte in Dresden

Es ist ein fester Bestandteil im nicht gerade konzertreichen Sommer in Dresden – das Gastspiel der Deutsch-Polnischen Jugendphilharmonie Niederschlesien. Im letzten Jahr wurde das zehnjährige Bestehen gefeiert, bereits acht Mal fand das Orchester freundliche Aufnahme in der Martin-Luther-Kirche in der Neustadt. Im Orchester spielen deutsche und polnische Musikschüler und -studenten gemeinsam, eine Woche lang hatten sie ein klassisch-romantisches Programm erarbeitet. In der zweiten Woche stehen die Konzerte auf den Programm: fünf anstrengende Tage mit Aufführungen in Niederschlesien und Sachsen.

Leider wurde die Tour diesmal von einem Zwischenfall überschattet. Am Sonntag brach in der Kathedrale von Swidnica zu Beginn des Auftritts ein Feuer in der Musikergarderobe, einem Seitenraum der Kirche aus. Da das Orchester auf der Bühne saß, blieben Instrumente unversehrt, die Musiker verloren jedoch Instrumentenkästen, Kleidung und persönliche Dokumente. Nach dem Löschen und der Rückkehr von Musikern und Publikum setzte das Orchester trotz des Schreckens sein Konzert fort. Veranstalterin Agnieszka Ostapowicz bat daher im Dresdner Konzert um Spenden für die Jugendlichen (Kontakt über die Website).

Dass unter Leitung von Stanislaw Rybarczyk trotzdem ein tolles Konzert gelang, davon konnten sich zahlreiche Besucher in der Martin-Luther-Kirche überzeugen. Bestens vorbereitet und fein abgestuft in den Instrumentalgruppen war die "Coriolan-Ouvertüre" von Ludwig van Beethoven. Dankbar war man auch für die Aufführung eines sinfonischen Werks von Sergej Ljapunov (1859-1924), ein neben den großen russischen Romantikern fast vergessener Komponist. Die sinfonische Dichtung "Żelazowa Wola" (der Geburtsort Chopins) breitet melancholische Linien aus und scheut sich nicht, gleich zu Beginn eine Mazurka Chopins wörtlich zu zitieren. Auch dieses Stück wurde von den jungen Musikern souverän bewältigt und sensibel umgesetzt.

Am Ende wurde die Interpretation der 9. Sinfonie "Aus der neuen Welt" von Antonín Dvořák stark bejubelt. Dirigent Stanislaw Rybarczik neigte zu straffen Tempi, selbst das passable Englisch-Horn-Solo im zweiten Satz wirkte etwas flott. Das im Kirchraum doch recht brutal wirkende forte von Blech und Pauken passte nicht mehr ganz zum romantischen Stil, und manche Passagen hätten mehr ruhigen Atem benötigt; vor allem die Streicher überraschten jedoch mit großer Homogenität. Angesichts des Schreckens des Vortages war dies eine höchst respektable Leistung. Für die Zukunft des Orchesters wäre einmal mehr die Arbeit mit Instrumentalsolisten wünschenswert. Ohne die enorme Arbeit von Rybarczik zu schmälern, könnte auch ein renommierter Gastdirigent sicher neue Impulse geben. Miteinander und Freude an der musikalischen Arbeit zeigten sich hier wieder im hochqualitativen Ergebnis – so ging das Konzert auch nicht ohne eine befreiende Zugabe zu Ende und bei den bereits geöffneten Flügeltüren der Kirche bekamen auch die Passanten draußen noch eine Kostprobe jugendlichen Könnens.
 

Spendenkontakt zum Brandschaden:  http://www.proarte.org.pl / Kontakt Agnieszka Ostapowicz

Eine gekürzte Textfassung des Artikels ist am 28. Juli in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

Fotos: Fundacja Pro Arte