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Generationswechsel in Leuben: „Prinz Methusalem“ übernimmt Zepter

Wer dieser Tage die Speisekarte im Leubener Restaurant "Fledermaus" liest, stutzt: Der Broiler ist in Backhendl umgetauft. Ein Vorgeschmack auf das in Zukunft alljährlich stattfindende Johann-Strauss-Festival ist das, und die passende kulinarische Untermalung für die neue, die dritte echte Ausgrabung des Wiener Komponisten am Haus. "Prinz Methusalem" heißt sie und wartet mit einer ziemlich holprigen Entstehungsgeschichte auf. Ursprünglich für eine Pariser Bühne auf französisch geplant, erfuhr das Werk seine Uraufführung 1877 am Wiener Carl-Theater und lief dann – trotz eines "naja"-Librettos – jahrelang erfolgreich; auch und vor allem wohl dank spritziger textlicher Ergänzungen, tagesaktuell eingeflochten von den lokalen Publikumslieblingen.

"Wie lieb und luftig perlt die Blase / der Witwe Klicko in dem Glase" (Wilhelm Busch). Auch körperlich anregend scheint das Getränk zu sein (Fotos: Kai-Uwe Schulte-Bunert)

Für die "neue Uraufführung" (Ernst Theis) hat der Autor und Kabarettist Peter Ensikat das Stück textlich entstaubt und gestrafft. Auch wenn seine matten Seitenhiebe in Richtung Politik teilweise etwas altersmüde klingen: die Umarbeitung tut dem Tempo der Story gut. Die Handlung ist schnell erzählt: Die beiden tattrigen Könige der Nachbarländer Trocadero und Rikarak planen, ihren Nachwuchs aus machtpolitischen Erwägungen zu vermählen. Prinz Methusalem und Prinzessin Pulcinella finden trotz der Todfeindschaft ihrer alten Herren sofort heftigsten Gefallen aneinander und lassen sich die Heirat auch nicht mehr ausreden, als Umstürze in beiden Ländern die Situation ordentlich durcheinanderwirbeln… Wohl wird das Buch der beiden Textautoren Victor Wilder und Alfred Delacour zunehmend kruder, die Handlungsstränge verwirren sich im 2. Teil immer mehr, um das perfekte Happy End noch irgendwie zu schultern. Begreift man "Prinz Methusalem" jedoch einfach als ein Generationswechselspiel, als gesellschaftliches jung gegen alt, oben gegen unten, dann kann man sich in der neuen Leubener Inszenierung schamlos gut amüsieren.

Isabell Schmitt und Christian Grygas geben sich in "Prinz Methusalem" ausgiebig einer beängstigend realistischen Knutscherei hin. "Alles für das Werk", beschwichtigt der Sänger. Seine Partnerin ergänzt, dass ihr eigener Ehemann die Generalprobe gesehen – und abgesegnet habe…

Geschuldet ist das vor allem auch der Bühnenfassung der Regisseurin Adriana Altaras, die den schmalen Pfad zwischen Publikumsanbiederung und gewollt modernistischer Neuinterpretation des Genres leichtfüßig entlangtänzelt und dabei offenbar das gesamte Ensemble mit ihrer guten Laune angesteckt hat. Zumindest in der Fassung, in der Prinz Methusalem von einem männlichen Sänger dargestellt wird, tritt dabei die Generationenfrage eher in den Hintergrund – und macht Platz für ein kurzweiliges Panoptikum an charakteristischen Typen, die einem schwarzen Jeunet-Film entstammen könnten. Vor allem die Doppelspitze aus Gerd Wiemers vertrotteltem König Cyprian und seinem Todfeind, dem König Sigismund, für den Bernd Könnes mit seinem engen, hohen, schnell vibrierenden Tenor ein herrliches Charakterfeuerwerk zündet, begeistert; und läuft der jungen Generation (Isabell Schmitt, Christian Grygas) spielend den Rang ab. Frank Ernst als Hofkomponist Trombonius und Neuling Christoph Simon als eitler Hof-Chordirigent lassen ebenso schmunzeln wie die resolute Königin Sophistika (Inka Lange).

Sigismund (Bernd Könnes) weist Mandelbaum (Marcus Günzel) und Feuerstein (Hans-Jürgen Wiese) in die Schranken. Gehalt gibts jedoch keines für die beiden Schlapphüte – weswegen sie eine Revolution anzetteln

Chor und Orchester der Staatsoperette sind unter Theis‘ stilsicherer Leitung dabei so gut drauf wie lange nicht. Von den hundertstelsekundengenau abgestimmten Orchesterakzenten des Anfangs über die flotten Polkas bis zu leichten wienerischen Walzerschwelgereien kommt hier noch das kritischste Ohr auf seine Kosten. Die herrlich schrägen Frisuren der Protagonisten, die fliegenden Rockschöße und spitzen Schulterpolster der Ausstatterin Yashi Tabassomi scheinen einer späten, böse-ironischen Wilhelm-Busch-Moritat zu entstammen. Sie tun ein übriges, damit der neue Dresdner Prinz einen absolut sympathischen Eindruck hinterlässt. Spätestens mit dieser witzigen Wiederentdeckung ist die Staatsoperette auch die weiteste Anreise von außerhalb wert. Zum geplanten Strauss-Festival sollten die tapferen Kulinariker der Cultus gGmbH, die die "Fledermaus" mit großem und sehr persönlichem Engagement betreiben, dazu den im Stück so hochgelobten und freigiebig ausgeschenkten Veuve Clicquot ins Programm nehmen – und sich für diesen und die Fässer der Bier-Hausmarke endlich einmal einen ordentlichen Kühlschrank anschaffen!