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An der Staatsoperette wird „Prinz Methusalem“ neu entdeckt

Methusalem? Da war doch was… Na klar, alt wie Methusalem, der den Lamech zeugte, wie die Bibel schreibt, im jugendlichen Alter von 187 Jahren und dann noch 782 Jahre lebte. Um Missverständnissen vorzubeugen: das ist nicht das vielzitierte biblische Alter, demnach unser Leben siebzig und wenns hochkommt achtzig Jahre währt. Auch das macht manchen Auguren schon Angst, vor allem wenn immer mehr Menschen das schaffen. Ja, es droht uns ein „Methusalem-Komplott“.

Positiver sieht das die Champagner-Branche: je älter desto besser und vor allem teurer! Ergo bietet man das belebende Getränk mit Namen „Methusalem“ an, gleich in großen Mengen, zwischen 300 und 800 Euro zahlt man für die Sechsliterflasche. „Methusalem-City“ schließlich liegt in Nordrhein-Westfalen, heißt eigentlich Bad Sassendorf und ist das größte Seniorenheim in Nordrhein-Westfalen.

Ganz anders ist das alles an Dresdens Staatsoperette in Leuben. Der „Prinz Methusalem“ ist eine Operette von Johann Strauss, die dort am Wochenende ihre Premiere feiern wird und der Prinz in diesem derzeit noch unbekannten Stück ist ein blutjunger Mann. Er lebt im Reiche Rikarak, das soll in Italien sein, und soll die Tochter, Prinzessin Pulcinella aus dem Nachbarreich, heiraten. Alles aus politischen Gründen, auf Beschluss der Väter. Der politische Wind dreht sich, die Heirat wird nicht mehr benötigt. Weil aber wahre Liebe kein politisches Kalkül braucht, denken die Kinder gar nicht daran voneinander zu lassen… Viele Anlässe für eine Operette à la Johann Strauss mit einem Schuss von Offenbach, der ja ein Meister war, wenn es galt, Operettenpolitik auch da zu verhandeln, wo sie hingehört.

Im Zuge der Entdeckerfreude, die im Hinblick auf Strauss-Operetten in Leuben beachtlich ist, kommt jetzt das Werk, von dessen Musik die Kenner schwärmen, in einer textlichen Neubearbeitung von Peter Ensikat heraus. Am Pult steht Ernst Theis, ein Spezialist in Sachen Strauss. Theis unternimmt es auch in musikalischer Hinsicht, dem Original der Wiener Uraufführung von 1877 so nahe wie möglich zu kommen. Und da ist es nicht ausgeschlossen, dass – man höre und staune – die Partie des jungen Prinzen von einer Frau, einer Mezzosopranistin, gesungen wurde.

"Prinzessin Methusalem": Jana Frey (hier mit Isabell Schmitt als Pulcinella)

Das wird im Jahre 2010 die in Dresden lebende Berliner Sängerin Jana Frey sein, deren Sängerleben eigentlich an der Staatoperette begann, wo sie nach dem Studium zum ersten Mal auf der Bühne stand, als Prinz Orlowsky in „Die Fledermaus“ und wenig später als Prinz „Orest“ in Offenbachs „Die schöne Helena“. Schlank und beweglich im Spiel und im Gesang, wurden ihr immer wieder „Hosenrollen“ anvertraut, so im ersten festen Engagement im Dessauer Ensemble der Annius in Mozarts „Titus“, dem dann aber doch in Kleidern die Partien der Suzuki in „Madama Butterfly“, die Olga in „Eugen Onegin“ folgten. Das Solostück „Die menschliche Stimme“ von Francis Poulenc war eine besondere und glückliche Herausforderung für die junge Sängerin, die sich auch mit Hingabe der Barockoper widmet, wo es ja auch dem Mezzosopran oft zukommt die männlichen Helden zu verkörpern.

Jana Frey macht es großen Spaß zu gastieren, auch springt sie kurzfristig mal ganz gerne ein, das verhindert Routine, man bleibt flexibel und trainiert die Aufmerksamkeit. So kann sie seit 2002 freiberuflich ihre Pläne eigenständiger gestalten, Gastverträge für Opern annehmen, die Konzertauftritte nicht vernachlässigen, denn da stehen in dieser Saison sogar Wagners „Wesendonck-Lieder“ mit den Bochumer Sinfonikern im Kalender. Mozarts Dorabella ist für Cottbus eingetragen. Eine großartige Erfahrung war die Aufführung „L ´ Enfant et les sortoleges“ von Maurice Ravel in der kleinen szene der Semperoper, in dessen Hauptpartie Jana Frey dann ihr Spaniendebüt am berühmten Opernhaus Liceu in Barcelona gab.

Und was mit Hosenrollen an der Staatsoperette begann, wird jetzt mit einer solchen fortgesetzt. Sie singt und spielt die eine Variante des Prinzen Methusalem in der Inszenierung von Adriana Altaras. Gemäß Staatsoperettentraditionen sind alle Partien doppelt besetzt. So gibt Christan Grygas die andere Variante. Eine Woche vor der Premiere schwärmen beide von der Musik, besonders von drei wunderbaren Duetten, die sie jeweils mit ihren Prinzessinnen singen dürfen.

Ob da der männliche Prinz vom weiblichen Prinzen etwas lernen könne? Jana Frey – obwohl es ja ganz und gar nicht das Anliegen einer Hosenrolle ist zu verbergen, dass da eine Frau singt, eher im Gegenteil, geht es doch auch um changierende Bereiche des erotischen Empfindens – bekommt etliche Anregungen durch das Spiel ihres Kollegen. Er hingegen, für den die Partie ja recht hoch gelegen ist und auch in der Melodik sich mitunter an weiblicher Sanglichkeit orientiert, bekommt musikalische Anregungen. Zudem hat ja Christian Grygas aufgrund seiner Vielseitigkeit und seiner Erfahrungen mit dem speziellen Sound des Musicals beste Voraussetzungen für die technischen und ästhetischen Ansprüche dieser Partie.

Ja, und im Spiel, da ist der Spaß gleich verteilt, beiden macht es große Lust, diese verzogenen Einzelkinder zu spielen und dennoch am Ende der Welt ihrer letztlich auf Eigennutz bedachten Erzieher ein Schnippchen zu schlagen, sich zu emanzipieren und wenigstens in der Operette jenseits von Geld und Politik allein der Liebe die Ehre zu geben. Und auch da werden sich beide Darsteller zwar nicht im Prinzip, aber doch aufgrund ihrer Individualität und der Unaufgebbarkeit der Authentizität unterscheiden. Leider ist es bislang nicht möglich, beide in einer Aufführung  zu erleben; aber nacheinander, das lässt sich bestimmt machen. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Staatsoperette auf ihrer Internetseite verrät, wann welche Fassung aufgeführt wird.

Fotos: Staatsoperette