Scroll Top

Fest der Musik – Kurt Masur begeisterte im 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie

Normalerweise stand dieser Tage das Osterfest im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch auch ein Konzert kann zum Fest geraten und in dieser Beziehung hat der Dirigent Kurt Masur Festtagsbraten und Eiersuchen für zwei Stunden im Kulturpalast schlicht vergessen lassen – das 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie am Ostersamstag war sein Fest und natürlich das Fest der Musik.

Selbstverständlich erschien das Publikum  in Scharen – dem 82jährigen Ehrendirigenten der Philharmonie wird die Treue gehalten. Auch das Orchester freute sich sichtlich, mit ihm  wieder einmal musizieren zu dürfen und war zu Höchstleistung motiviert. Nur äußerlich mag das Programm des Konzertes als biederes Repertoire erscheinen, denn es war klar, dass Masur diese ihm höchst vertrauten Werke in spannender Interpretation darbieten würde. Dieser Eindruck bestätigte sich sogleich in der Einleitung der Brahmsschen Haydn-Variationen mit dem berühmten Thema, das verbürgtermaßen nicht von Haydn stammt.

Masur inszenierte Brahms mit dem Brennglas, aber ohne ihn zu beschädigen: gerade die Durchsichtigkeit des Orchestersatzes, die Verschmelzung der Linien war ihm ein Anliegen. In weichem forte und natürlichem piano kamen die Variationen daher wie Landschaftsbilder in wechselnden Wettern. Selbst in der Finalpassacaglia vermied Masur äußeres Aufbrausen: selbstbewusst und dennoch sanft gesetzt war diese Brahms-Interpretation meisterlich.

Robert Schumann darf derzeit in keinem Konzertprogramm fehlen, obgleich gerade sein Klavierkonzert a-Moll ohnehin dauerhaft auf den Spielplänen zu finden ist. Und doch: gerade dieses Stück wirft für Pianisten und Orchester immer wieder Fragen auf, und die verschiedenen Auffassungen, mit denen man sich dem Stück nähern kann, bereichern es. Der kanadische Pianist Louis Lortie drang aber bis zu diesen Sphären nicht vor. Widersprüchlich war sein Spiel, in dem nach flüchtigem Beginn ein ständiges Hin und Her von Überbetonung des Unwichtigen und Hinwegfegen über Eigentliches den Höreindruck bestimmte, so dass sich auch kein Konzept oder Charakter herausschälte. Virtuosität war zwar stets vorhanden, doch weil Lortie den 3. Satz als Etüde missverstand und emotionsleere Kaskaden ablieferte, muss man sich ernsthaft fragen, ob er nicht besser in anderer Literatur aufgehoben ist. Rhythmisch und metrisch war ohnehin schon im 1. Satz viel Porzellan zerschlagen – Masur hatte mit dem Orchester gut zu tun, Lorties unverständliche Binnenverschiebungen im Tempo wieder auf ein Fundament zu heben.

Doch nach der Pause winkte ein Glanzlicht: die 4. Sinfonie B-Dur von Ludwig van Beethoven gilt zwar nicht als Jubelstürme hervorrufender Orchesterschlager, aber genau hier war Masurs Meisterschaft zu bewundern. Eben dieses Stück ist eine wahre Etüde im Nachspüren Beethovenscher Genialität. Wie ein Thema sich fortspinnt, verrennt, neu ansetzt, verhaucht oder plötzlich hereinbricht, das konnten die Zuhörer hier als Lehrstunde erleben. Gewohnt minimalistisch und mit sorgsamen Aufforderungen führte Masur das hervorragend musizierende Orchester durch die vier Sätze, deren Charakter unter Masurs Händen wie ein Glas mit klarem Wasser geformt wurde. Vollkommen berechtigt waren die stehenden Ovationen am Ende, mit dem die Dresdner dem großen Künstler, Musiker und Freund für dieses Konzert dankten.
 

Eine Textfassung des Artikels ist am 6. April in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.