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Geheimnisvoller Schumann – Konzert der Staatskapelle Dresden zum 200. Geburtstag des Komponisten

Einen großen Bahnhof bereiteten die Staatskapelle Dresden und die Frauenkirche dem 2010-Jubilar Robert Schumann. Die Stiftung Frauenkirche ehrt den Komponisten in diesem Jahr mit einer Reihe von Aufführungen; der Konzertabend mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Leitung von Daniel Harding bildete den Auftakt. Die weltweite Aufmerksamkeit für das explizite Konzert zum 200. Geburtstag des Komponisten wurde durch Radio- und Fernsehmitschnitte gesichert, eine DVD wird ebenfalls produziert. Ob Schumann selbst solch pompösen Hochglanz goutiert hätte, dürfte in Zweifel gezogen werden. Bei aller Scheinwerferillumination und dem rechten ins-Bild-rücken mit Kamerafahrten über den Köpfen blieb es den Ohren überlassen, den Mittelpunkt des Konzertes zu orten.

Wer aber glaubte, "seinen"  Schumann zu kennen, dem wurde schon in der ersten Hälfte der Horizont gehörig erweitert. Maximal die Ouvertüre zu Schumanns einziger Oper "Genoveva" dürfte bekanntere Dimensionen erreicht haben – die Kapelle zeigte das Werk mit zupackender, frischer Klangkultur. Zwei kurze sinfonische Sätze folgten, davon war die "Abendmusik" B-Dur als Uraufführung angekündigt, was heute insofern wunderlich erscheint, da Leben und Werk von Robert Schumann durch die Musikwissenschaft stets außerordentliche Betreuung erfuhr. Joachim Draheim, dem auch das unüblich umfangreiche und erhellende Programmheft zu verdanken ist, nennt die Orchesterfassung der als Klavierstück vorliegenden Abendmusik denn auch einen "Rekonstruktionsversuch". Diese Komposition wie auch das zuvor vorgestellte Scherzo g-Moll atmen ganz den Schumannschen Ton der kleineren Form. Harmonische wie melodische Einfälle runden sich zu einem Ganzen; die Interpretation erschien aufmerksam und intensiv.

Eine weitere Entdeckung war das "Nachtlied" nach Hebbel, Opus 108, das ohne Zweifel zu Schumanns stärksten Werken gerechnet werden kann. Der Rundfunkchor des MDR gesellte sich hier zum Orchester und zeigte eine starke Leistung mit guten dynamischen Abstufungen und eindringlicher Textdeklamierung. Für Brahms und Liszt muss das Nachtlied ein Lehrstück gewesen sein, den geheimnisvollen und farbintensiven Schumann kennt man heute leider noch zu wenig. Im ebenfalls selten aufgeführten "Requiem für Mignon" brillierten vier Kruzianer (Ole Kottner, Franz Lindner, Sebastian Dominik Pfeifer und Vincent Hoppe) in einer anspruchsvollen Solopartie; der Bariton Markus Butter hatte da eine vergleichsweise kleine Aufgabe, die er souverän löste. Harding und der Kapelle gelang es mit weiterhin frischem Zugriff in bewundernswerter Weise, den schnell wechselnden Charakteren eine Klangspezifik zuzuordnen, die für den musikalischen Fluß auch in schwieriger Akustik eine sichere Basis bildete.

Zum Abschluss des kurzweiligen Programms musizierte das Orchester die 3. Sinfonie Es-Dur, die "Rheinische". Angesichts der schwungvollen und überwiegend lebensbejahenden Musik fiel es den Rheinländern nicht schwer, sich in dem Stück wiederzufinden, das ungebrochene Popularität genießt. Harding bestätigte die kraftvoll-musikantische Haltung, brachte immer wieder motivierenden Schub in die Interpretation ein und konnte sich des Kapell-Glanzes in den famosen Bläsern wie im dichten und höchst transparenten Streichersatz sicher sein.

Eine Textfassung des Artikels ist am 22. März 2010 in den Dresdner Neusten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.