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Vier Blicke zurück – Friedbert Strellers 2. Sinfonie erlebt ihre Uraufführung im 3. Sinfoniekonzert der Landesbühnen Radebeul

Beethoven und Schostakowitsch im Kulturpalast, Brahms und Dvorak in der Semperoper – es war nicht das erste Mal, dass das kleine Radebeul augenscheinlich mit dem interessanteren Konzertprogramm aufwartete. "Musikalische Aspekte des 20. Jahrhunderts" war die Stückauswahl des Dritten Sinfoniekonzerts betitelt; "repräsentative Perspektiven" suchte Michele Carulli zu vermitteln. Doch beim Lesen der Auswahl wurde der halbwegs der Moderne kundige Hörer erst einmal stutzig. Geboten wurde: Ein blumig-tonschwelgerisches Klavierkonzert von Ottorino Respighi (1924), für das der Flügel des Solisten Sandro Ivo Bartoli gut und gern noch zwei Meter hätte länger sein dürfen. Sergej Prokofjews Vierte Sinfonie in ihrer Urfassung aus dem Jahr 1930. Und als Zugabe ein humorvolles "Scherzo á la Russe" von Igor Strawinski aus den frühen vierziger Jahren.

Auf diesem weichen Bett seliger Klassizismen nahm denn Friedbert Streller Platz. Der verdiente Rezensent dieser Zeitung wirkte von 1963 bis 1991 an der Dresdner Musikhochschule, trat und tritt aber auch als Komponist in Erscheinung: vier Sinfonien sind bereits vollendet, die "Zweite" erlebte am Samstag – vor leider nicht ganz gefülltem Saal – ihre Uraufführung. Es wäre nun vermessen, den musikalischen Gehalt des ein wenig spröden Werkes nach einmaligem Hören bewerten zu wollen; allein mag die wörtliche Schilderung des Komponisten Anhaltspunkte geben.

Eine "Metamorphosis Straussiana" habe er im Sinn gehabt, schreibt Streller, und erklärt dem Hörer, was hier abläuft: ein depressiver Zwölftonakkord zu Beginn, abgelöst von pastoralen Flöten und Klarinetten; später ein vorsichtiger Ausflug in die U-Musik im BigBand-Sound, und am Schluss die Anfangstakte von Richard Strauss‘ "Don Juan". Wir stehen vor einem musikalisch-akademischen Rätselspiel verschiedener seelischer Zustandsbeschreibungen. So skizziert das Werk zwar halbwegs schlüssig "Down and High" (so der Titel der Sinfonie), ein ziel- und zweckbestimmter Ablauf "durch Nacht zum Licht" ist jedoch mitnichten auszumachen; es sei denn, der Komponist habe die Musikgeschichte von Schönberg Richtung Strauss abfahren wollen. Das zwanzigste Jahrhundert hätte er dabei allerdings – wie Respighi und der frühe Strawinski – fast gänzlich im toten Winkel gehabt.

Eine Textfassung des Artikels ist am 1. Februar in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.