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Furchterregend schön – Hélène Grimaud und Jan Vogler im Sonderkonzert des Moritzburg Festivals

Mit einem Sonderkonzert begab sich das Moritzburg Festival wieder einmal in städtische Gefilde – die Gläserne Manufaktur von Volkswagen ist geschätzter Partner des Kammermusikfestivals und präsentiert daher gerne besondere Klassik-Genüsse in der Orangerie der Manufaktur. Gut 500 Zuhörer erlebten am vergangenen Sonntag ein Sonderkonzert mit Hélène Grimaud (Klavier) und Jan Vogler (Cello) – das Warten auf das nächste Moritzburg Festival wurde so auf angenehmst Weise verkürzt.

Kammermusik auf diesem hohem Niveau möchte man natürlich gern zu jeder Jahreszeit genießen – war es ein Zufall, dass dem Programm von Hélène Grimaud und Jan Vogler ein besonders herbstlicher Zug anhing? Zusätzlich zur ausgebreiteten Moll-Melancholie der drei Kompositionen schienen die Stücke noch auf weiteren Ebenen verwandt: die liedhafte Melodik bei Schumann und Brahms führt konsequent zur Schostakowitsch-Sonate, in welcher die bei Brahms noch sanft zu nennenden Entwicklungen in kraft- und zuweilen schmerzvolle Äußerungen münden. Diese Verbindungen zwischen den Noten wurden durch die herausragenden Interpretationen von Hélène Grimaud und Jan Vogler, die schon seit längerer Zeit gemeinsam konzertieren, offensichtlich.

Foto: Rene Gaens

Drei märchenhafte Fenster gehen in Robert Schumanns kurzen "Phantasiestücken" auf, sofort ist der Hörer gefangen in der romantischen Welt voller Emotionen und Leidenschaften. Die Idee der Kammermusik von Grimaud und Vogler beinhaltete absolutes Versenken in die Noten und damit auch den Mut zum Risiko, etwas entstehen zu lassen, was weit über reine Konzentration beim Musizieren hinausweist. Durch Voglers singenden, schlanken Ton fühlte sich Grimaud besonders motiviert, gerade die kantablen Qualitäten des Flügels herauszukitzeln. Ergebnis war ein nahezu furchterregend schönes Legato-Spiel in der 1. Sonate e-Moll von Johannes Brahms. Differenziert und jederzeit mit der Musik atmend kamen Pianistin und Cellist miteinander ins kammermusikalische Gespräch. Das gegenseitige Vertrauen schuf Besonderes: zu beobachten war die sorgfältig-liebevolle Behandlung jedes einzelnen Taktes und eine Ernsthaftigkeit beim Erforschen der Satzcharaktere, die auch natürliche Grenzen vorsah. So erschien die Brahms-Sonate auch im Finalsatz niemals flüchtig.

Die d-Moll-Sonate von Dmitri Schostakowitsch erhielt durch Tempokontrolle und bohrende Repetitionen am Klavier die nötige Intensität. Mag letzteres Stück auch den "Oberen" gefällig gewesen sein, gegen den perfiden Walzer des 2. Satzes nimmt sich selbst Ravels "La Valse" als harmloses Tanzstückchen aus. Würdevoll und groß gelang der große Gesang des 3. Satzes, in dem Vogler alle Klangfarben seines Instrumentes hervorzauberte und Grimaud sanft begleitete. Eine zarte Melancholie begleitete auch den nur oberflächlich als Kehraus anmutenden Schlusssatz.

Großer Applaus brandete auf und normalerweise ist es dann Zeit für virtuose Schmankerl in den Zugaben. Doch die beiden Vollblutmusiker Hélène Grimaud und Jan Vogler überraschten nicht nur mit einem erneuten Schostakowitsch-Satz in plötzlich entfesselter Garstigkeit, sondern machten das Publikum auch noch in wunderbar spontanen und intensiven Interpretationen mit den Sonaten von Claude Debussy und Frédéric Chopin bekannt. Ob diese Einblicke bereits als Hinweis auf Kommendes zu verstehen waren? Dieses außerordentliches spannendes Konzert verlangt geradezu nach einer Fortsetzung.

Eine Textfassung des Artikels ist am 27. Oktober in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.