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Besinnlich und heiter: „Der Waffenschmied“ an den Landesbühnen

Weil früher sowieso alles anders und vor allem besser war, verlegt Regisseur Wolfgang Lachnitt seine Inszenierung der komischen Oper von Albert Lortzing gleich in ein Museum, das Bernd Franke ins knappe Bühnenmaß des Radebeuler Stammhauses der Landesbühnen gedrängt hat. In großen Filzpantoffeln schlurfen Besucher durchs Theater in das biedermeierliche Industriedesign, stehen in einem Raum, der bestimmt wird durch die übergroße Installation eines respektablen Schwertes – nicht gleich zur Pflugschar um geschmiedet, aber immerhin von Büchern gehalten und mit Schreibpulten verstellt. Später stützt das Schwert ein Hochbeet mit silbernen Rosen und verschwindet am Ende fast in kunstgewerblichem Raumschmuck.

Die Figuren der Komödie, zunächst als Standbilder zu bewundern, werden lebendig. Sie spielen und singen die Geschichte vom ehrbaren Waffenschmied zu Worms im 16. Jahrhundert, seiner Tochter Marie, einem Ritter, der sie liebt, aber nur eine Chance hat, wenn er ganz unritterlich als Schmiedegeselle Konrad sein Glück versucht. Gegen alles, was Ritter heißt, hegt der bürgerbewegte Herr Waffenschmied tiefe Abneigung. Die ist in der Vergangenheit begründet, die vielleicht doch nicht ganz so schön war, wie sie besungen wird.

Wir wären nicht bei Lortzing und einer seiner liebenswürdigsten Spielopern, würde nicht auf allerlei Umwegen mit krausen Konstrukten zusammenkommen, was zusammengehört und dabei mitmachen müssen, wer augenblicklich keine andere Wahl hat. Und wir wären nicht bei Lortzing, dessen Text und Musik uns nicht faustdick verklickern wollen, wie wir was zu sehen, zu hören oder zu verstehen hätten, sondern uns eher einladen, uns einen eigenen Reim zu machen auf die Schmunzelverse des armen Spielopernweltmeisters. In dessen Zeit nämlich, als das Werk 1846 in Wien zur Uraufführung kam, ist die Handlung verlegt.

Nicht alle in diesem Stück lenken ihre Blicke verklärt und ein wenig verkitscht zurück. Die junge Generation, Marie, selbstbewusst und emanzipiert, der Ritter, ein gänzlich unkriegerischer junger Mann, und Georg, sein Knappe, ebenfalls in den Diensten des Waffenschmiedes, haben eher die Zukunft im Blick und müssen daher erst einmal mit der Gegenwart und denen, die sie bestimmen, klar kommen.

Mehrdeutig: Hagen Erkrath (Fotos: Martin Krok)

Der ehrbare Bürger, Wohltäter in Sachen Tierschutz, betreibt sein Gewerbe, das immer noch Waffen produziert, im weißen Kittel. Nur bleiben seine Hände sauber, geschmiedet wird von anderen, abgeschirmt, zur Besichtigung frei, wenn Besucher kommen und die Arbeiter singen. Und völlig friedensbewegt ist der Menschenfreund auch nicht, jedenfalls denkt er ganz gerne zurück an die Zeiten der Schwerter, nur eben waren sie da in den Händen der Gerechten. Ja, ja, früher. Der Mann tut sich schwer damit zu begreifen, dass Menschen sich ändern, dass nicht der Stand sondern das Herz den Menschen adelt. Und so hängt am Ende des liebenswerten Exkurses über Selbstgerechtigkeit, Vorurteil, vergebliche List und ein junges Paar, das auf Glanz und Reichtum pfeifen möchte, der Himmel doch nicht voller Geigen, sondern voller Schwerter… Lortzings Finale hat nach einem kalt tönenden endlos langen Marsch nur ganz wenige Takte für die Liebe, das Glück und die Hoffnung, dass dieser Schluss wirklich so gut ist, wie er besungen wird.

Gut und gelungen ist die Aufführung unter der musikalischen Leitung von Michele Carulli. Die melodienreiche Musik wird frisch, so kontrastierend wie möglich und angenehm zügig präsentiert. Der Chor, die Herren besonders, in der Einstudierung von Sebastian Matthias Fischer, fügt sich bestens ein. Bei den Solisten haben die Damen große Chancen, die sie gut zu nutzen wissen. Christina Elbe als Marie gibt beiden großen Arien genau jenes gesangliche Format, das Lortzings Liebe zu Mozart mehr als nur anklingen lässt. Silke Richter gibt als Erzieherin Irmentraud im komödiantischen Abgesang auf die Männer der Gegenwart ein Glanzstück. Hagen Erkrath als Waffenschmied hat Schalk, Töne und Facetten für die Mehrdeutigkeit und Untiefen seiner vergangenheitsseligen Gesänge. Den ganz unritterlichen Ritter Graf von Liebenau gibt Fred Bonitz, Andreas Petzoldt ist der Knappe Georg, und zwei komische Gestalten sind Michael König und Kay Frenzel als erfolglos kuppelnder Ritter Adelhof aus Schwaben und Mehrheiten beschaffender Gastwirt Brenner im Verbindungspoker. Hervorzuheben sind unbedingt die erfrischenden Ensemblesätze. Bleibt bei so viel Gelungenem anzumerken, dass es nicht durchgehend gelingt, in den Dialogen das Tempo zu halten, und auch mitunter dicker aufgetragen wird, als die Geschichte, der man ganz gut trauen kann, verträgt.

Weitere Aufführungen: 4.11., 27.11., 10.12., 18.12.

Eine Textfassung des Artikels ist am 9. 10. in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.