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„Statt Perfektion auf Inspiration setzen“ – Amir Tebenikhin, Preisträger des Anton-G.-Rubinstein-Klavierwettbewerbs 2007, im Gespräch

Eine wunderbare Geste: anlässlich der Preisverleihung des Dresdner Rubinstein-Wettbewerbs bekam der Pianist Amir Tebenikhin vor zwei Jahren feierlich ein goldenes Schlüsselchen überreicht. Dass der gar nicht, wie das Publikum meinen konnte, zum Blüthner-Flügel auf der Bühne der Semperoper, sondern nur zu einem kleineren Stutzflügel passte – Schwamm drüber. Amir Tebenikhin erfreut sich nach wie vor an seinem Preis, er übt täglich bis zu sieben Stunden daran. Anlässlich der Neuauflage des Wettbewerbs – dieser Tage finden die Halbfinals statt, am Sonntag das große Finalkonzert – hat Martin Morgenstern mit dem Pianisten gesprochen und versucht, ein bisschen Licht auf den Alltag eines angehenden Klaviervirtuosen zu werfen.

 

Foto: Hans Blossey

Amir Tebenikhin, gerade kommen Sie von einem internationalen Wettbewerb wieder als Preisträger zurück; herzlichen Glückwunsch! Was ist denn bei Wettbewerben am wichtigsten: die perfekte technische Vorbereitung? Eine möglichst ausgereifte Interpretation? Oder einfach eine gute psychologische Haltung?

Ich denke,ehe eine Mischung aus guter Vorbereitung, einem vernünftigen Programm (manche Wettbewerbe, wie z.B. der Enescu-Wettbewerb, den ich gerade gewonnen habe, erlauben freie Auswahl von Werken), Erfahrung und dem, was man Glück nennt. Der Stress kann auch behilflich sein; ich spiele in Stresssituation besser als zu Hause.

Vor zwei Jahren bei Dresdner Rubinstein-Wettbewerb spielte Ihnen der Stress dann doch einen Streich. Im Finale spielten Sie unausgewogen; die Jury erkannte Ihnen aber mit dem Wissen um Ihr Spiel in den Vorrunden doch den ersten Preis zu: einen Blüthner-Flügel…

Ich geniesse den herrlichen Klang dieses Flügels. Er eignet sich besonders für Impressionisten wie Debussy, aber auch für Romantik, u.a. Anton Rubinsteins Werke.

Zum Final-Repertoire des Rubinstein-Wettbewerbs hat der kleine Flügel ja eigentlich gar nicht gepasst. Was würden Sie den Initiatoren des Wettbewerbs raten: lieber ein Preisgeld ausreichen? Oder besser das Repertoire anpassen?

Ich würde die gute Tradition, dem ersten Preisträger einen Flügel zu übergeben, fortsetzen. Sie  stammt ja noch aus den Zeiten des ersten Anton-Rubinstein-Wettbewerbs, der von 1890 bis 1910 ausgetragen wurde. Dieser Wettbewerb war ja auch der Erste Klavierwettbewerb überhaupt! Damals war es allerdings ein weisser Schröder-Flügel, der überreicht wurde…

…und leider nie bei den damaligen Preisträgern Maria Yudina und Wladimir Sofronitzky ankam! Prof. Zenziper, der künstlerische Leiter des heutigen Wettbewerbs, hat mir aber versprochen: er guckt mal im Keller des St. Petersburger Konservatoriums nach. Apropos Preisträger: Tauschen Sie sich auf Wettbewerben mit ihren Konkurrenten aus, oder konzentriert sich jeder auf sein Programm?

Ich empfinde die anderen Kandidaten nicht als Konkurrenten, wir sind eher Kollegen. Natürlich treffen wir uns und reden miteinander. Manche kenne ich von anderen Wettbewerben oder aus dem Studium, da ziemlich viele Wettbewerbsteilnehmer in Hannover studieren. Die Hannoversche Musikhochschule ist ein sehr wichtiges Zentrum der Klavierausbildung nicht nur in Deutschland, sondern in Europas, wenn nicht der Welt.

Das bringt mich auf eine sensible Frage: Ihr Hannoveraner Lehrer saß  vor zwei Jahren in der Jury. Halten Sie es für möglich, dass neben künstlerischen Entscheidungen auch solche Fakten bei Wettbewerben eine Rolle spielen?

Im damaligen Finale in der Semperoper waren rund 30 Juroren tätig. So eine große Jury kann nicht unfair beurteilen. Ich denke, dass viele Studenten von Prof. Kämmerling, wie z.B. kürzlich Alexey Gorlatsch bei den Wettbewerben in Dublin und Leeds oder Michail Lifits beim Busoni Wettbewerb, ganz vorne stehen, weil er ein unglaublich guter, ja legendärer Lehrer ist, nicht weil er ab und zu in den Jurys sitzt. Hätte ich meinen Professor nicht in der Jury (wie es jetzt beim Enescu-Wettbewerb oder beim Bechstein-Wettbewerb der Fall war), wäre es für mich sogar leichter, da ich nicht so einen Druck fühlte.

Bechstein, Blüthner, Steinway, Fazioli – welcher Klang ist Ihnen ans Herz gewachsen?

Ich mag die Vielfalt: je mehr Klaviermarken in den Sälen und Häusern stehen, desto besser für uns. Natürlich gibt es da viele Facetten: bestimmte Komponisten "fordern" bestimmte Marken, für Kammermusik würde ich mich für Bechstein oder Blüthner entscheiden. Die Klaviere werden doch durch Konkurrenz besser!

Muss man auf Wettbewerben anders spielen als bei einem Konzert; technischer, sicherer, fehlerloser?

Im Grunde genommen sollten die Auftritte bei einem Wettbewerb einem Konzert gleichen, und das versuche ich auch. In der Realität entscheiden sich viele Wettbewerbsteilnehmer für Perfektion, da man bei einem Wettbewerb kein Recht auf einen Fehler hat. Ihre Auftritte werden dann zwar sicherer, aber auch irgendwie seelenlos und uninteressant. Ich würde statt Perfektion auf Inspiration setzen. Dadurch profitiert auch das Publikum.

 

Anton-G.-Rubinstein-Klavierwettbewerb Dresden
Semifinals: 1., 2. Oktober, jeweils ab 15 Uhr im Neuen Saal der Musikhochschule (Eintritt frei)
Finale: 3. Oktober um 11 Uhr in der Semperoper

Zum Finalistenkonzert begleitet das Sinfonieorchester der Hochschule für Musik Carl Maria v. Weber Dresden unter Prof. Ekkehard Klemm. Karten an der Vorverkaufskasse der Semperoper, Schinkelwache (Tel. 4911-705) zu 16,50 bis 27 EUR.