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Echo Klassik: Neue Medien und neue Märkte

"Im Elfenbeinturm hat die Klassik lang genug gewohnt; die Zeiten sind vorbei." Was der TV-Moderator und aktive Jazzmusiker Götz Alsmann am Freitag bei einem Besuch in Dresden sagte, wird den Programmdirektoren des ZDF gefallen haben. Hat doch klassische Musik auf einem immer engeren Markt nur eine Überlebenschance, wenn sie es versteht, benachbarte Stile zu besuchen, sich inspirieren zu lassen und vielleicht miteinander ins Geschäft zu kommen.
Unter diesen Vorzeichen ist auch das Programm des Gala-Konzerts "Echo der Stars" zu lesen, das – nach dreizehnjähriger Abwesenheit – dieses Jahr wieder aus Dresden übertragen wird. 1300 geladene Gäste verfolgen das bunte Programm am 18. Oktober live in der Semperoper mit; zwei Millionen dürften es am selben Abend am Bildschirm werden.

Rene Pape

 

Seine Platte "Gods, Kings & Demons" ist ‚Operneinspielung des Jahres‘: Rene Pape (Foto: Mathias Bothor / DG)

Vor dreizehn Jahren hatte es bereits ein "Echo für Dresden" gegeben; die damalige Gala war als Benefizveranstaltung für den Wiederaufbau der Frauenkirche gedacht und half, die Dresdner Bemühungen landesweit bekannt zu machen. Mit Veranstaltungen wie dieser sammelte das ZDF von 1992 bis 2005 über fünf Millionen Euro für die Frauenkirche; "ein Beleg, dass Kulturauftrag und Publikumsinteresse, Qualität und Quote zusammengehen", so ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut. Gemeinsam mit dem Bundesverband Musikindustrie, dessen Kulturinstitut, die "Deutsche Phono-Akademie", den ECHO Klassik seit fünfzehn Jahren verleiht, verhilft das Fernsehen der Klassikbranche zu Aufmerksamkeit – und profitiert selbst natürlich auch. Einundzwanzig Kategorien gibt es inzwischen für den ECHO, zuzüglich eines Sonderpreises, den dieses Jahr die Sächsische Staatskapelle für ihre historische Fritz-Busch-Edition erhält. Von den Sparten "Bestseller des Jahres" (Die Zisterzienser Mönche vom Stift Heiligenkreuz) bis zur "Accompagnato-Chormusik des 16.-17. Jahrhunderts" (Ton Koopman mit Vokalwerken von Dietrich Buxtehude) deckt der bekannteste Klassikpreis ein weites Spektrum ab.

Hinzugekommen sind Einspielungen der Kategorie "Klassik-ohne-Grenzen"; ausgezeichnet wird dort dieses Jahr u.a. das Calmus Ensemble Leipzig mit einer Volksliederplatte, die im Chrismon-Verlag erschienen ist. "Klassik ist populärer denn je", schätzt denn auch der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie, Prof. Dieter Gorny, die Lage ein. Der Markt wächst: in neue Bildungsschichten (ein Drittel der gesamten Umsätze werden von Klassikfans mit Hauptschulabschluss oder mittlerer Reife generiert), und in neue Medien hinein: so sorgte der Buchhandel – neben Mehrverkäufen an der Abendkasse – im ersten Halbjahr 2009 für zweistellige Absatzsteigerungen. Götz Alsmann insistiert: "Wir sollten nicht fragen, wo wir die Grenzen von Klassik und Weltmusik ziehen, sondern wo wir sie einreißen."

Eine Textfassung des Artikels ist am 22. August in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.