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Fabio Luisi wirft hin

Nur langsam wuchs die Vertrauensbeziehung zwischen Orchester und Dirigent, jetzt steht sie schon wieder vor dem Ende: Fabio Luisi verlässt die Staatskapelle (Foto: Barbara Luisi)

Der Generalmusikdirektor der Sächsischen Staatsoper Dresden, Fabio Luisi, wirft das Handtuch.

Am Mittwoch hat er dem Ensemble brieflich mitgeteilt, er werde seinen Vertrag über die Spielzeit 2011/12 hinaus aus “persönlichen und familiären Gründen” nicht verlängern.

Die Nachricht, die die Agenturen am Donnerstag Abend verbreiteten, kommt sicherlich zur Unzeit, aber für Kenner der Dresdner Musikszene nicht unbedingt überraschend. Wer Konzerte besuchte, die die Kapelle unter ihrem Chef bestritt, konnte sich manches Mal dem Gefühl nicht entziehen, hier leisteten Musiker wie Dirigent gewissenhaft, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad einander inspirierend, ihren Dienst ab. Absolute Hochachtung, aber wohl kaum herzliche Zuneigung bestimmen die Beziehung des Orchesters zu seinem Dirigenten.

Was die von Luisi mit Elan vorangetriebenen Projekte wie etwa das jährliche Engagement eines “Capell-Compositeurs” (im Bild: Isabel Mundry) oder die vorzügliche Richard-Strauss-Aufnahmereihe betrifft, kann man nur hoffen, dass ihnen ein längerer Atem beschieden sei. (Foto: M. Creutziger)

Ob die “persönlichen Gründe” auch Fragen um die Ernennung der (von Luisi favorisierten) designierten Intendantin Ulrike Hessler oder gar die Tatsache betreffen, dass sich die Stadt Dresden gegenüber der von Luisi öffentlich geäußerten Bitte, man möge den Bau eines Konzerthauses für Kapelle und Philharmonie prüfen, schroff ablehnend zeigte – darüber mag man nicht spekulieren. Fakt ist: die Sächsische Staatskapelle steht nun, nachdem sie nach Giuseppe Sinopolis plötzlichem Tod bereits fast sechs Jahre ohne Chefdirigenten auskommen musste, wiederum vor einer Neuausrichtung. “Ich werde genau prüfen, welche der vielen reizvollen internationalen Angebote, die ich bekomme, nach meinem Dresden-Engagement möglich sind”, wird Luisi in der Sächsischen Zeitung zitiert. Aber auch von einer chronischen Erkrankung seines Sohnes ist dort die Rede – und das nimmt jenen Kritikern, die schon immer vermuteten, Dresden sei – nach seinem Engagement in Leipzig – nur der logische nächste Schritt auf der Karriereleiter des äußerst selbstdisziplinierten Stardirigenten gewesen, sofort den Wind aus den Segeln.

Zwar hat Luisi versprochen, er werde seinen Vertrag bis zum Ende erfüllen; hingegen ist jetzt schon abzusehen, dass die Jubiläumsfeierlichkeiten zur Wiedereröffnung der Semperoper nächstes Jahr mit einem wehmütigen, gar bitteren Unterton stattfinden werden. Zu deutlich haben die Musiker über den Umweg eines Boulevardblattes ihren Chef unlängst öffentlich abgewatscht. Als lame duck wird Fabio Luisi die Staatskapelle fürderhin dirigieren. Für die musikalische Qualität der vielgepriesenen “Wunderharfe” ist das gegenwärtige Patt jedenfalls eine Katastrophe.

Martin Morgenstern