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Verdis „Il trovatore“ – ungefähr eine Premiere in der Semperoper

Es hätte eine Performance sein können. Gediegene Herren im Frack mit niedlichen Fähnchen, Damen in schwarz; Signalwesten tragend, wie Lotsen oder Aufräumarbeiter. Beim näherem Hinsehen war es die Ankündigung eines Warnstreiks im Rahmen einer Protestaktion der deutschen Kommunal- und Staatsorchester. Deren

Gehaltsanhebung um 2,9 Prozent ist ausgesetzt, man befürchtet die Abkoppelung vom Beamtentarif. Später die unsichere Begründung durch einen Orchestervertreter von der Bühne herab, zu der der Intendant besser gar keine Miene macht, dass man als Staatskapellenmusiker eigentlich überlastet sei, dass man die Inflationskosten nicht auffangen könne, Benzin usw., und dass man verspreche, mit 30minütiger Verspätung dann doch wieder das Beste zu geben. Buhs und Beifall. Ende des Opernabends für einige Besucher, die gleich gehen.

Was dann auf der Bühne folgte, konnte es an Dramatik mit dieser Aktion nicht mehr aufnehmen. Die Protagonistinnen und Protagonisten der Aufführung mussten sich nur entscheiden, ob sie den rechten oder den linken Arm heben oder als absolute Steigerung gestischem Ausdrucks auch mal kurzfristig beide. Damen wie die Mezzosopranistin schieben den Unterkiefer vor, um dann bei weit aufgerissenen Augen und entsprechender Tonhöhe und Lautstärke beide Arme in die Höhe zu recken. Die Sopranistin hingegen war anhaltend mit ihrem Kleid und einem roten Tuch beschäftigt und es hatte mehrmals den Anschein, als riefe ihr ein Assistent aus der Gasse zu, sie müsse sich doch jetzt bitte hinknien und dann auch wieder aufstehen, nach rechts, nach links, nach hinten abgehen oder stehen bleiben.

Marina Mescheriakova (Leonore), Roberto Frontali (Graf von Luna)

Marina Mescheriakowa ist die darstellerisch und gesanglich höchst unglückliche Leonora in Giuseppe Verdis Oper „Il trovatore“, für die der Regisseur Michael Hampe und sein Ausstatter Carlo Tommasi eine Aufführung organisiert und zusammengestellt haben, die so verstaubt wie langweilig ist. Sich bei dieser Ästhetik auf den spanischen Bürgerkrieg zu beziehen, wie man im Programmheft liest, und ein nahezu bewegungsloses und uninspiriertes Bilderbuchtheater zu präsentieren, grenzt an Hohn. Gewiss, Verdis Oper mit der sprunghaften Dramaturgie, den undurchsichtigen Familienverhältnissen verfeindeter und derselben Frau verfallener Brüder inmitten mittelalterlicher Kampfhandlungen, einer geheimnisvoll raunenden, exotisch auftrumpfenden Zigeunerin, bei letztlich recht gemütlicher Musik, ist eine enorme Herausforderung. Was zur Premiere in der Semperoper präsentiert wurde, ist schlicht eine Unterforderung.

Denn der Abend will auch musikalisch nicht so recht in Gang kommen. Acht kurze Bilder, die sich nicht wesentlich unterscheiden, werden jeweils durch lähmende Umbaupausen unterbrochen. Der schwarze Zwischenvorhang stoppt jede auch nur aufkeimende Dramatik der Musik. Fabio Luisi, der in dieser Saison nur drei Aufführungen des Stückes dirigiert, muss mit den Damen und Herren der Staatskapelle immer wieder neu ansetzten, was zunehmend schwerer gelingt, zumal auch partiell unentschieden bleibt, ob sich der Dirigent und das Orchester oder die Sängerinnen und Sänger bei der Tempowahl durchsetzen werden. Bei den Vertretern der Hauptpartien, Roberto Frontali als Graf Luna, Carl Tanner als Manrico, Andrea Ulbrich als Azucena und Georg Zeppenfeld als Ferrando, behindert immer wieder szenische und darstellerische Unbedarftheit die Glaubwürdigkeit des musikalischen Ausdrucks. Selbst für den künstlerischen Triumph eines kostümierten Konzerts reicht es nicht. Da fragt man sich doch, ob nicht längst vor der Premiere vorauszusehen gewesen sein muss, was es bei der Wahl dieses Inszenierungsteams und Ensembles zu sehen und zu hören geben wird.

Eine Inszenierung, “so verstaubt wie langweilig”

Missfallensbekundungen gibt es für Fabio Luisi schon bevor er überhaupt den Taktstock hebt, und für Marina Mescheriakowa im zweiten Teil, wo ihre Stimme nur noch beinahe jedem zweiten oder dritten Ton Klangqualität gibt. Am Schluss geht’s gemäßigt, eher gleichgültig zu. Freundlicher Applaus, der ansteigt für den Chor, sich verstärkt für die Mezzosopranistin Andrea Ulbrich, den Tenor Carl Tanner, den Bass Georg Zeppenfeld und den Bariton Roberto Frontali einschließt und dann in raschem Verebben das Ensemble samt Dirigenten und Regieteam unaufgeregt entlässt. Der Semperoper ist wieder einmal keine Überraschung gelungen – da kann man nichts machen. „Verwandlung und Verhängnis“ heißt das Motto der Saison. Das Verhängnis kennen wir, auf die Verwandlung warten wir.

Boris Michael Gruhl

Fotos (2): M. Creutziger

Nächste Aufführungen: 14., 17., 19., 22., 25. Oktober

Eine Textfassung des Artikels ist am 13. Oktober in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abzudrucken.